Casper legt den Finger in seine eigenen Wunden
Casper, « Lang lebe der Tod », Sony Music.
Das fünfte Casper-Album war eine Zangengeburt: Die erste Single erschien bereits vor über einem Jahr, und eigentlich hätte der Langspieler kurz darauf veröffentlicht werden sollen. In letzter Sekunde zog der Deutsch-Rapper die Notbremse – er sei noch nicht zufrieden mit seinem neuesten Werk. Also verschob er den Release, sagte seine gesamte Tour ab und bastelte weiter an «Lang lebe der Tod».
Caspers Meisterwerk «XOXO» (2011) hallt bis heute nach, und auch der folkig angehauchte Nachfolger «Hinterland» (2013) prägte die deutsche Musiklandschaft. Doch wie macht man in so einer Situation weiter? Casper hat uns bereits ausführlich sein Herz ausgeschüttet, den Zeitgeist voll getroffen und sich von seiner Konkurrenz mit gefühlsschwangeren Texten abgehoben. Mittlerweile hat der 34-Jährige die Grossstadt verlassen und geheiratet. Kann ein zufriedener, sesshafter Casper noch so leidenschaftlich klingen wie der zornige «EmoRapper», der damals mit seiner Reibeisenstimme den Finger in die Wunde legte? Jein.
Im pseudotiefgründigen «Alles ist erleuchtet» bekommt man noch den Eindruck, Casper sei nun auf dem gleichen Niveau wie seine Kollegen angekommen. Ähnlich dümmlich kommt «Sirenen» daher. Erst in der zweiten Albumhälfte packt er den harten, persönlichen Tobak aus. In «Meine Kündigung» vergleicht er sich selbst mit einem gelangweilten Kindergeburtstag-Magier und denkt laut über seine Selbstzweifel nach. Auch «Deborah» erinnert an die intensivsten Momente von «XOXO». Wenn dann «Flackern, flimmern» zu einem lärmigen Finale aus- artet, ist klar: Casper steht zwar an einem anderen Punkt, noch ist die Luft aber nicht ganz raus.