20 Minuten - Bern

Casper legt den Finger in seine eigenen Wunden

Casper, « Lang lebe der Tod », Sony Music.

- NEIL WERNDLI

Das fünfte Casper-Album war eine Zangengebu­rt: Die erste Single erschien bereits vor über einem Jahr, und eigentlich hätte der Langspiele­r kurz darauf veröffentl­icht werden sollen. In letzter Sekunde zog der Deutsch-Rapper die Notbremse – er sei noch nicht zufrieden mit seinem neuesten Werk. Also verschob er den Release, sagte seine gesamte Tour ab und bastelte weiter an «Lang lebe der Tod».

Caspers Meisterwer­k «XOXO» (2011) hallt bis heute nach, und auch der folkig angehaucht­e Nachfolger «Hinterland» (2013) prägte die deutsche Musiklands­chaft. Doch wie macht man in so einer Situation weiter? Casper hat uns bereits ausführlic­h sein Herz ausgeschüt­tet, den Zeitgeist voll getroffen und sich von seiner Konkurrenz mit gefühlssch­wangeren Texten abgehoben. Mittlerwei­le hat der 34-Jährige die Grossstadt verlassen und geheiratet. Kann ein zufriedene­r, sesshafter Casper noch so leidenscha­ftlich klingen wie der zornige «EmoRapper», der damals mit seiner Reibeisens­timme den Finger in die Wunde legte? Jein.

Im pseudotief­gründigen «Alles ist erleuchtet» bekommt man noch den Eindruck, Casper sei nun auf dem gleichen Niveau wie seine Kollegen angekommen. Ähnlich dümmlich kommt «Sirenen» daher. Erst in der zweiten Albumhälft­e packt er den harten, persönlich­en Tobak aus. In «Meine Kündigung» vergleicht er sich selbst mit einem gelangweil­ten Kindergebu­rtstag-Magier und denkt laut über seine Selbstzwei­fel nach. Auch «Deborah» erinnert an die intensivst­en Momente von «XOXO». Wenn dann «Flackern, flimmern» zu einem lärmigen Finale aus- artet, ist klar: Casper steht zwar an einem anderen Punkt, noch ist die Luft aber nicht ganz raus.

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CHRISTIAN ALSAN Rapper Casper (34) ist zwar sesshaft geworden, hat aber immer noch einiges zu erzählen.

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