Fehlbesetzung der SPD?
Eine seltsame Ehre. Ich bin über die Hälfte meines Lebens stolzes Mitglied der SPD und empfinde sie keineswegs als Elend. Doch die Sozialdemokratie hat ein Problem, nicht nur in Deutschland, in ganz Europa. Wir stehen vor der globalen Frage nach Lösungen für mehr soziale Gerechtigkeit und eine gute Zukunft. Doch viele Menschen trauen der Politik gar nicht mehr zu, tatsächlich global funktionierende Lösungen schaffen zu können. Dazu leidet sie aus meiner Sicht darunter, dass in der Politik momen- tan Re-Nationalisierung und Abschottungs-Ideologien mehrheitsfähig sind, und dass die Sozialdemokratie dem noch keinen globalen
Gegenentwurf entgegenstellen kann.
Die Sozialdemokratie muss wieder eine europäische, eine globale Bewegung werden, dann sind wir auch national und regional wieder erfolgreich.
Herr Schulz war und gibt sich als EU-Politiker. Die EU steht für viele eben nicht für soziale Gerechtigkeit, sondern für einen Brüsseler Bürokratie-Moloch. War Schulz eine Fehlbesetzung?
Die Umfragen zeigen: Martin Schulz versteht die Lebenslage der Menschen viel besser als Frau Merkel. Sie hat trotzdem bessere Werte bei Sympathie oder Kompetenz. Dass Schulz aber als abgehoben wahrgenommen wird, dafür gibt es keine Anzeichen. Es gibt auch keine Debatte darüber, dass er in Deutschland in erster Linie als EU-Politiker wahrgenommen wird. Die Menschen wünschen sich ja auch jemanden, der Deutschland in der Welt gut vertritt, und dies billigen sie beiden Kandidaten zu. Insofern ist Schulz’ Erfahrung als EU-Politiker alles andere als ein Makel. Aber als Regierungschefin kann Merkel für sich beanspruchen, dass es den Menschen in ihrer Amtszeit gut ging und geht – obgleich die meisten politischen Reformen, die dazu beitrugen, die SPD durchgesetzt hat.