Die Wiege der modernen Naturküche
SCHÜTZEN (A). Der Taubenkobel im Osten Österreichs ist vielleicht das schönste Restaurant Europas. Seine Verdienste um die kulinarische Kultur sind enorm.
Welches Spitzenrestaurant hat als erstes konsequent nur mit Produkten aus der unmittelbaren Umgebung gekocht? Das Noma in Kopenhagen? Weit gefehlt! Die wahren Pioniere sind nicht in Skandinavien zu Hause, sondern im burgenländischen Örtchen Schützen am Gebirge, eine knappe Autostunde von Wien entfernt.
Im zauberhaften Taubenkobel lässt der mit 18 «Gault Millau»-Punkten ausgezeichnete Alain Weissgerber poetisch schöne und unverschämt köstliche Gerichte auftragen. Geschmorte gelbe Tomaten mit Flusskrebsen, den rohen Kernen der Tomaten, Senfkörnern und Bohnenkraut zum Beispiel. Oder eine im Heu geräucherte und über offenem Feuer knusprig grillierte Taube mit Heu-Gel, frischen Maulbeeren und Maulbeerblättern. «Kompromisslose Regionalität und Natürlichkeit waren schon vor über 30 Jahren das Credo meines Schwiegervaters Walter Eselböck, der den Taubenkobel gründete. Sie liegt in der DNA dieser Küche und ist nicht einfach ein Zugeständnis an den Zeitgeist», so Weissgerber.
Die Tomaten bezieht der Meisterkoch mit französischen Wurzeln bei Erich Stekovics im benachbarten Frauenkirchen, weil der sogenannte Paradeiserkönig einfach unvergleichliche Qualität anbiete. Stekovics’ Trick: Er giesst die Tomatenstauden nicht, so müssen sie tief im Boden nach Wasser suchen und schmecken deshalb viel aromatischer.
Bisweilen verarbeitet Alain Weissgerber sogar seine Nachbarn in der Küche: Bei diesen handelt es sich nämlich um die unter freiem Himmel le- benden Schweine des Landwirts Richard Tribaumer, der den besten Lardo im ganzen Land herstellt.
So eng wie die nationalistischen Kreise in Österreich will Weissgerber den Regionalitätsbegriff aber nicht gefasst wissen: «Wir halten nichts von Abschottung, sondern verstehen uns als Teil Europas und verwenden deshalb auch einmal eine Ente aus Frankreich oder einen Prosciutto aus Kroatien. Die Qualität steht über allem, obwohl wir natürlich am liebsten mit Lieferanten aus dem engsten Umkreis zusammenarbeiten.»