20 Minuten - Bern

Nur Foto gemacht: Passant lässt Verletzten liegen

DIETIKON. Ein Verletzter wurde nur fotografie­rt, Hilfe erhielt er nicht. Das sorgt für Empörung – und Verständni­s.

- TAM/NZY

Ein Mann lag am Boden mit blutüberst­römtem Gesicht. Diese Beobachtun­g machten ein junger Mann und sein Kollege in der Nacht auf Sonntag beim Bahnhof in Dietikon ZH. Hilfe für den Verletzten war zu diesem Zeitpunkt nicht in Sicht, dennoch machten die jungen Männer nur ein Foto des Verletzten und gingen weiter. «Aus Angst, selbst darin verwickelt zu werden, habe ich nicht geholfen. Zudem hatte ich keine Zeit», sagt der junge Mann auf Anfrage. Er spreche auch nicht so gut Deutsch, weshalb er nichts mit der Polizei zu tun haben möchte.

Eine Umfrage am Bahnhof Dietikon zeigt: Andere Passanten hätten sich ebenfalls nicht getraut, zu helfen. In Dietikon passiere dies regelmässi­g. Andere sind aber auch empört: «Wir hoffen, dass uns in so einer Situation geholfen wird, und hätten deshalb sicher geholfen.»

Die Kantonspol­izei Zürich hat Kenntnis vom Vorfall. Als eine Patrouille eingetroff­en sei, sei aber niemand mehr vor Ort gewesen. Die Ermittlung­en laufen. «Dass Dietikon ein Gewalt-Hotspot ist, widerlegen die eingehende­n Anzeigen und die Kriminalst­atistik», sagt Sprecher Marc Besson. Fotos von Tathergäng­en seien auch eine Hilfe bei der Tatklärung: «Jedoch ist die Polizei nebst den Aufnahmen auch auf die Aussagen von Passanten angewiesen.» Eine Befragung sei zwar ein zeitlicher Aufwand, «jedoch ist dieser im Vergleich zur Hilfe an den Opfern vertretbar», so Besson. Er rät: «Wer Zeuge einer schweren Straftat wird, sollte nicht eingreifen, sondern sich das Signalemen­t der Täterschaf­t merken und sich bei der Polizei melden.» Das Wichtigste sei, sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.

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Der Mann lag beim Bahnhof Dietikon.

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