Nur Foto gemacht: Passant lässt Verletzten liegen
DIETIKON. Ein Verletzter wurde nur fotografiert, Hilfe erhielt er nicht. Das sorgt für Empörung – und Verständnis.
Ein Mann lag am Boden mit blutüberströmtem Gesicht. Diese Beobachtung machten ein junger Mann und sein Kollege in der Nacht auf Sonntag beim Bahnhof in Dietikon ZH. Hilfe für den Verletzten war zu diesem Zeitpunkt nicht in Sicht, dennoch machten die jungen Männer nur ein Foto des Verletzten und gingen weiter. «Aus Angst, selbst darin verwickelt zu werden, habe ich nicht geholfen. Zudem hatte ich keine Zeit», sagt der junge Mann auf Anfrage. Er spreche auch nicht so gut Deutsch, weshalb er nichts mit der Polizei zu tun haben möchte.
Eine Umfrage am Bahnhof Dietikon zeigt: Andere Passanten hätten sich ebenfalls nicht getraut, zu helfen. In Dietikon passiere dies regelmässig. Andere sind aber auch empört: «Wir hoffen, dass uns in so einer Situation geholfen wird, und hätten deshalb sicher geholfen.»
Die Kantonspolizei Zürich hat Kenntnis vom Vorfall. Als eine Patrouille eingetroffen sei, sei aber niemand mehr vor Ort gewesen. Die Ermittlungen laufen. «Dass Dietikon ein Gewalt-Hotspot ist, widerlegen die eingehenden Anzeigen und die Kriminalstatistik», sagt Sprecher Marc Besson. Fotos von Tathergängen seien auch eine Hilfe bei der Tatklärung: «Jedoch ist die Polizei nebst den Aufnahmen auch auf die Aussagen von Passanten angewiesen.» Eine Befragung sei zwar ein zeitlicher Aufwand, «jedoch ist dieser im Vergleich zur Hilfe an den Opfern vertretbar», so Besson. Er rät: «Wer Zeuge einer schweren Straftat wird, sollte nicht eingreifen, sondern sich das Signalement der Täterschaft merken und sich bei der Polizei melden.» Das Wichtigste sei, sich nicht selbst in Gefahr zu bringen.