«Ein Gym für den Geist»
Die School of Life widmet sich emotionaler Fitness. Gründer Alain de Botton (48) verrät, was es damit auf sich hat und wie auch wir sie trainieren können.
Viele Menschen sind auf ihre Körper fixiert. Vergessen wir dabei, auch den Geist zu trainieren?
Absolut. Vor 100 Jahren achtete noch niemand auf seine Ernährung oder wie viel er schlief, heute dreht sich alles um Fitness. Wer anstatt ins Gym aber einmal zum Psychologen will, wird schnell als verrückt angeschaut. Dabei ist unser Geist genau wie unser Körper eine komplizierte Maschine. Beide müssen gewartet werden.
Sie widmen Ihr Schaffen der emotionalen Intelligenz. Was versteht man darunter?
Clever zu sein, heisst nicht unbedingt nur, gut in Physik oder Französisch zu sein, sondern auch darin, eine Beziehung zu führen, mit Menschen gut umzugehen oder Gefühle wie Angespanntheit oder Trauer besser bewältigen zu können. Ich verstehe darunter alles, was man an heutigen Schulen oder Universitäten nicht lernt.
Ist emotionale Intelligenz angeboren, quasi ein Talent, oder kann man sie wie einen Muskel trainieren?
Niemand wird als Pilot oder Herzchirurg geboren. Dieses Wissen erlernt man, auch wenn man dafür vielleicht bereits ein angeborenes Interesse hat. Bei der emotionalen Intelligenz ist es ähnlich. Die School of Life ist ein Gym für den Geist, oder eben eine Schule, an der jeder willkommen ist – und trainieren kann.
Gibt es Werkzeuge, die jeder für sich anwenden kann?
«Was macht Ihnen Angst? Worauf freuen Sie sich?»
Wir downloaden Programme und Serien, aber nicht den Inhalt unserers Hirns. Nehmen Sie sich jeden Tag Zeit, idealerweise eine Stunde, und schreiben Sie alles nieder, was sie beschäftigt: Was macht Sie traurig? Was macht Ihnen Angst? Worauf freuen Sie sich? Dieser Wetterreport der Gedanken hilft, sich selber und den eigenen Geist besser zu kennen – und zu steuern.
Die School of Life kommt dieses Jahr das erste Mal nach Zürich. Worum geht es bei der dreitägigen Konferenz?
Wir widmen uns Themen, die im alltäglichen Leben zu kurz kommen. Wie führe ich eine
langjährige, glückliche Beziehung? Worauf sollte ich bei meiner Berufswahl achten? Wir wollen Denkanstösse liefern und Ideen für ein erfüllteres Leben.
Was macht einen glücklichen Menschen aus?
Glücklich zu sein, ist ein flüchtiges Gefühl, viele verwechseln es auch damit, keine Probleme zu haben. Ich benutze daher lieber das Wort «erfüllend». Eine Beziehung zu einem anderen Menschen ist niemals einfach, aber ist sie erfüllend? Dieselbe Frage kann auf die Berufswelt angewendet werden. Ergibt Ihre momentane Situation Sinn? Ein unperfektes, aber erfülltes Leben, das erscheint mir ein realistischeres Ziel als das ewige, perfekte Glück.