Wie wirksam wird die Tracing-App des Bundes?
BERN. Wer sich nach einer Warnung durch die ProximityApp des Bundes in Quarantäne begibt, hat keinen Anspruch auf Lohn: Experten befürchten, dass die App so nicht wirkt.
KONTROVERS Die Idee der Proximity-App ist simpel: Wer etwa im Zug neben einer Person sitzt, die wenig später positiv auf Corona getestet wird, bekommt eine Warnung aufs Handy. Die betroffene Person soll dann für zehn Tage in Selbstquarantäne.
Jetzt warnen Experten, dass die App, deren Entwicklung rund 1,65 Mio. Fr. kosten soll, am Ende gar nichts bringen wird, weil die Warnungen in den Wind geschlagen werden. Der Grund: Bei der Selbstquarantäne ist eine Lohnfortzahlung – anders als bei einer Verfügung durch den Kanton – nicht garantiert, denn der Bundesrat setzt im am Mittwoch veröffentlichten Gesetzesentwurf bloss auf eine Empfehlung. Ein Coiffeur oder ein Verkäufer, der nicht im Homeoffice arbeiten kann, verlöre also ein
Drittel des Monatslohns. Erst wer positiv auf Covid-19 getestet wird, hat Anspruch auf den Lohn.
Für Matthias Egger, Chef der nationalen Covid-19-Science-Taskforce, ist klar: «Es ist möglich, dass Leute nicht in Selbstquarantäne gehen, weil der Lohnausfall für sie nicht tragbar ist. Das würde die Wirksamkeit der App reduzieren.» Er fordert, dass der Erwerbsausfall auch beim Contact-Tracing per App entschädigt wird. Auch der an der Entwicklung der App beteiligte Epidemiologe Marcel Salathé schreibt auf Twitter, der «altruistische Akt» der Selbstquarantäne müsse durch die Sozialsysteme unterstützt werden: «Wenn wir hier sparen, sparen wir am komplett falschen Ort.»
FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt hingegen glaubt an die Wirksamkeit: «Die App kann das Problem nicht lösen, aber einen Beitrag zur Bewältigung der Pandemie leisten.» Das letzte Wort dazu hat im Juni das Parlament.