«Putin wollte uns auslöschen, wir haben knapp überlebt»
ZÜRICH. Zwei Putinkritiker, die nach zwei versuchten Attentaten geflüchtet sind, reden mit 20 Minuten über das russische Machtsystem.
«Wir haben früh angefangen, die russische Politik zu kritisieren – das hat uns fast das Leben gekostet», erzählen Ekaterina Sorokina (31) und Ruslan Serazhidinov (41). Die beiden wuchsen in Russland auf: Sie in einer reichen Familie in der Stadt Kamensk-uralski westlich von Moskau, er als Kind einer Arbeiterfamilie in Saretschny, einem militärischen Stützpunkt im Südosten des Landes.
Alles fing damit an, dass Ingenieur Serazhidinov 2007 politisch in der Opposition aktiv wurde. Als bei den darauffolgenden Wahlen einige Oppositionelle ins Parlament gewählt wurden, «war das der Moment, in dem ich zum Staatsfeind wurde». Schleichend hätten ab 2016 die Repressionen begonnen, sagt Serazhidinov. Sie seien wirtschaftlich isoliert worden.
2017, knapp ein halbes Jahr vor Putins Wiederwahl, sei es zur Eskalation gekommen. Der Konflikt gipfelte in zwei Mordanschlägen auf das Ehepaar: «Man wollte uns auslöschen, wir haben knapp überlebt und mussten nach Ecuador fliehen.» Sie seien mitten in der Nacht aufgewacht, weil ihr Haus brannte, sagt Sorokina. Als nur Tage später einige Männer ins Haus einbrechen wollten, hätten sie um ihr Leben gefürchtet: «Die Sicherheitsdienste wollten sicherstellen, dass wir Putins Wiederwahl nicht gefährden. Sie wollten uns endgültig zum Verstummen bringen.»
Zwei Wochen später sei sie im Garten mit einer Luftpistole angeschossen worden, sagt Sorokina. Auf dem Weg zum Polizeiposten wurde das Paar von zwei Männern angegriffen, die mit massiven Holzstücken auf die beiden einschlugen. Schliesslich sei sie auf die Strasse gerannt, um Autos anzuhalten. Erst dann seien die Angreifer geflüchtet: «So habe ich uns das Leben gerettet.»
Seit bald vier Jahren leben Sorokina und Serazhidinov nun in Ecuador im politischen Exil. Sie sagen: «Wer sich gegen die öffentliche Meinung ausspricht, wird im schlimmsten Fall durch Auftragsmord ausgeschaltet.»