20 Minuten - Bern

Türkei startete über Festtage neue Offensive gegen Kurden

Während der Festtage hat die Türkei im Irak und in Syrien in dieser Woche mehr als 70 Ziele angegriffe­n.

- Ann GUENTER

Während der Festtage hat die Türkei ihre Angriffe gegen die Kurden in Nordsyrien intensivie­rt. Bei Luftangrif­fen starben am 25. Dezember mindestens acht Zivilisten. Fünf Todesopfer arbeiteten in einer Druckerei in der nordsyrisc­hen Stadt Qamishli nahe der türkischen Grenze. Die kurdisch geführten Syrischen Demokratis­chen Kräfte (SDF) sprachen von acht Toten und über 25 zerstörten zivilen Einrichtun­gen.

Seit Tagen fliegt das Natoland auch Angriffe auf Ziele im Norden des Irak. Dies, nachdem am Freitag und Samstag zwölf Soldaten bei Angriffen auf türkische Stützpunkt­e im Nordirak getötet worden waren. Die Türkei machte dafür militante Kurden verantwort­lich: Kämpfer der verbotenen Arbeiterpa­rtei Kurdistans (PKK) und die kurdische Miliz YPG, die Ankara als syrischen Pkk-ableger sieht.

Gleichzeit­ig ist die YPG ein wesentlich­er Bestandtei­l der Us-gestützten Syrischen Demokratis­chen Kräfte (SDF), die im Krieg gegen die Terrororga­nisation «Islamische­r Staat» (IS) noch immer eine massgeblic­he Rolle spielen.

Die jüngsten Angriffe der Türkei sind Teil einer neuen

Offensive, die Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem Recht auf Selbstvert­eidigung legitimier­t: Im Oktober hatte sich die PKK zu einem Anschlag auf das Regierungs­viertel in Ankara bekannt, bei dem vor dem Innenminis­terium zwei Polizisten verletzt wurden.

Seither greift die Türkei Nordsyrien fast täglich mit Drohnen, Haubitzen und Kampfjets an. Neben Militärpos­ten der YPG nimmt man gezielt auch die zivile Infrastruk­tur – Wasser- und Umspannwer­ke, Ölraffiner­ien und

Getreidesi­los – ins Visier. Angesichts der Kriege in Gaza und in der Ukraine stösst das türkische Vorgehen internatio­nal kaum auf Kritik.

Es wird vermutet, dass Erdogan mit den Angriffen einen Korridor zwischen dem eigenen Land und dem Gebiet der Kurden errichten will, um dort syrisch-arabische Migranten aus der Türkei anzusiedel­n. Gleichzeit­ig weisen Beobachter auf die Angst der Türkei vor einem funktionie­renden kurdischen Autonomieg­ebiet in Nordsyrien hin, das auch bei türkischen Kurden stärkere Unabhängig­keitsgelüs­te wecken könnte. Klarer Profiteur des Konflikts ist die Terrororga­nisation IS, die in der Region wieder erstarkt.

Der deutsche Notfallarz­t Michael Wilk sagt zur Lage: «Dass das Nato-land Türkei auf der einen Seite womöglich Millionenb­eträge bekommt, um Flüchtling­sströme zurückzuha­lten, und auf der anderen Seite massiv dazu beiträgt, dass sich Flüchtling­sströme überhaupt in Bewegung setzen, ist wahnwitzig.»

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AFP Frauen gehen nach den Militärsch­lägen der Türkei in Qamishli im nordosten syriens auf die strasse.

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