«Die Schweiz kann ihre Neutralität nur wahren, wenn sie auch Putin einlädt»
BERN Die Svp-spitze schwänzte das Treffen mit Wolodimir Selenski. SVP-MANN Rino Büchel sieht sogar die Neutralität am Ende – man könne sie aber noch bewahren.
Beim grossen Empfang für Wolodimir Selenski fehlten gestern Svp-präsident Marco Chiesa und Fraktionschef Thomas Aeschi. Beide waren zwar während des Austausches im Bundeshaus, sagten aber zu 20 Minuten, dass sie als Kommissionspräsidenten Sitzungen leiten müssten. Auf die Frage, ob dabei eine kurze Pause für einen Blitzaustausch mit Selenski eine Option wäre, meinte Aeschi: «Nein.»
Hinter dem Manöver dürften politische Gründe stehen. Bereits eine Videoansprache ans Parlament boykottierte die Rechtspartei. Sie sieht nach dem Besuch die Neutralität der
Schweiz in Gefahr. Svp-aussenpolitiker Roland Rino Büchel: «Ich bin bald schon nicht mehr erstaunt, wie bedingungslos sich die Schweiz auf die Seite einer Kriegspartei schlägt.» Eine Einladung nach Bern habe eine andere Qualität als ein kurzes Treffen am WEF. Büchel sagt deshalb: «Die Schweiz kann die Neutralität nur bewahren, wenn sie auch Wladimir Putin nach Bern einlädt.» Der Bundesrat habe diese Tür aber durch «sein Verhalten in letzter Zeit quasi selbst geschlossen».
Bei anderen Parteien kommt der aufsehenerregende Besuch von Selenski jedoch gut an. «Es
ist lächerlich, wie sich die SVP aufführt. Sie steht eindeutig auf der Seite Putins. Ihr einziges Interesse in der Aussenpolitik besteht darin, weiterhin Geschäfte mit Autokraten tätigen
zu können», so Sp-aussenpolitiker Fabian Molina. Selenski repräsentiere ein Land, das seit zwei Jahren unter einer völkerrechtswidrigen Invasion leide. Das sei auch für die Sicherheit der Schweiz relevant. «Putin wird nicht in Kiew stoppen, wenn er den Krieg gewinnt. Darum hat die Schweiz ein vitales Interesse daran, die Ukraine zu unterstützen, so gut es geht.»
Ähnlich sieht es Mitte-nationalrätin Elisabeth Schneiderschneiter. «Der Besuch von Herrn Selenski war verfassungskonform und die Schweiz bleibt somit neutral.» Letztlich gehe es um die Sicherung gemeinsamer Werte und die Sicherheit beider Länder. «Die Schweiz ist ein kleines Land, wir sind auf eine funktionierende Sicherheitsarchitektur in Europa angewiesen.» Sie unterstütze deshalb das Vorgehen des Bundesrats. «Der Besuch ist die logische Folge davon, dass die Schweiz Sanktionen gegen Russland übernommen hat», so die Baselbieterin.