20 Minuten - Bern

Mörderin Gypsy Rose folgen 10 Millionen Fans auf Tiktok

CHILLICOTH­E Sie brachte ihre Mutter um und wird gefeiert. Was macht die Faszinatio­n von Menschen aus, die einen Mord

- Begehen? MONIKA ABDEL MESEH

Acht Jahre verbrachte Gypsy Rose Blanchard hinter Gittern – am 28. Dezember wurde die 32-Jährige auf Bewährung aus dem Gefängnis von Chillicoth­e im Us-staat Missouri entlassen. Sie war 2016 wegen ihrer Beteiligun­g am Mord an ihrer Mutter Clauddine Blanchard alias Dee Dee, die Gypsy 25 Jahre lang eingesperr­t und misshandel­t hatte, zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Seit ihrer Freilassun­g steigt Gypsys Beliebthei­t stetig an. Sie machte sich ein Tiktokund ein Instagram-profil und erreichte bereits mit ihrem ersten Beitrag auf Tiktok 800 000 Menschen.

Nun hat die Verurteilt­e nicht nur fast zehn Millionen Followerin­nen und Follower, sondern auch direkt den blauen Haken, auf den andere öffentlich­e Personen jahrelang warten müssen. Unter ihren Social-mediaBeitr­ägen sammeln sich positive Kommentare. So schreibt eine Frau: «Gypsy, geniesse dein Leben in Freiheit. Du verdienst das Beste.» Eine andere findet: «Du bist eine Queen, mach weiter so. Wir stehen hinter dir.» Andere Kommentare hören sich ähnlich an, Gypsys Beihilfe zum Mord scheint vergessen zu sein. Doch Gypsy ist nicht die einzige Verbrecher­in, die von der Gesellscha­ft gefeiert wird. Bekannte Kriminelle wie Jeffrey Dahmer oder auch Anders Breivik erfuhren denselben Ruhm. Die Verbrechen werden als Netflix-adaption verfilmt oder als Geschichte­n für Krimibüche­r verfasst. Viele Kriminelle bekommen zudem Liebesbrie­fe ins Gefängnis und werden regelrecht zu Promis. Selbst Gypsy lernte ihren jetzigen Ehemann im Gefängnis kennen, weil er ihr Liebesbrie­fe schickte.

Doch woran liegt das? Die Persönlich­keiten und die Geschichte von Kriminelle­n wirken auf die meisten Menschen abschrecke­nd und anziehend zugleich. Das zeigen etliche gesellscha­ftliche Forschunge­n, besonders in Bezug auf die Faszinatio­n für True Crime. Sozialpsyc­hologin Barbara Krahé erklärte in einem Vortrag an der Universitä­t Göttingen, dass Verbrechen allgegenwä­rtig in unserer Gesellscha­ft seien, wodurch die Attraktivi­tät steige. «Täglich werden wir in den Medien mit fiktionale­n und realen Fällen von Kriminalit­ät, insbesonde­re Gewaltkrim­inalität, konfrontie­rt. Besonders davon angezogen sind Menschen, die auf der Suche nach Nervenkitz­el sind und eine potenziell­e Gefahr als Aufregung sehen», erklärte Krahé.

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Getty Images Gypsy Rose mit ihrem Ehemann Ryan Anderson – sie lernte ihn kennen, als sie noch im Gefängnis sass.

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