Was passiert, wenn Israel verurteilt wird?
Herr Hartwig, was ist die Aufgabe des Internationalen Gerichtshofes (IGH) in den Haag?
Der IGH muss beurteilen, ob Israel einen Krieg mit der Absicht führt, einen Genozid zu begehen. Südafrika bezieht sich in seiner Klage darauf, dass Israel eine totale Blockade über den Gazastreifen errichtet hat. Die Versorgung mit Wasser, Nahrung, Strom und Energie wurde unterbunden oder stark eingeschränkt. Des Weiteren wirft Südafrika Israel die massive Bombardierung des Gazastreifens vor, die zu erheblichen Zerstörungen der Infrastruktur geführt und damit der Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen hat. Damit von einem Völkermord gesprochen werden kann, muss eine Absicht bestehen, eine ethnisch definierte Gruppe zu vernichten.
Wie sieht die situation unter dem Kriegsrecht aus?
Es ist komplex: Das humanitäre Völkerrecht gilt grundsätzlich in zwischenstaatlichen Konflikten. Ob es sich um einen solchen bei dem gegenwärtigen Krieg handelt, wird infrage gestellt, da Israel Gaza beziehungsweise Palästina nicht als einen Staat anerkennt.
Wie wird der Internationale Gerichtshof entscheiden?
In der Hauptsache wird der IGH wahrscheinlich erst in einigen Jahren entscheiden, wenn der Konflikt hoffentlich beendet sein wird. Ich vermute, dass der IGH im Februar eine einstweilige Anordnung erlassen wird. Darin wird er von Israel verlangen, gewisse militärische Aktionen zu unterlassen, die zu unverhältnismässigen Schäden in der Zivilbevölkerung
führen. Weiter könnte er von Israel verlangen, mehr humanitäre Hilfe zu gewähren.
Was, wenn Israel tatsächlich verurteilt wird?
Die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes ist bindend. Das Völkerrecht sieht nur vor, dass der Un-sicherheitsrat das Urteil des IGH durchsetzen kann. Allerdings ist dieser oft durch das Veto eines ständigen Sicherheitsratsmitglieds blockiert. Wird Israel verurteilt, hält sich dann aber nicht an die Entscheidung, steht das Land zwar am Pranger – mehr passiert aber nicht.