«Es gibt keine festen Regeln, wie Trauer auszusehen hat»
Bei einem Brand verloren drei Kinder ihr Leben – die Eltern überlebten. Wie kann solch ein traumatisches Ereignis bewältigt werden?
Laut Traumatherapeutin Raffaela Witting ist die Verarbeitung von Extremsituationen ein sehr komplexer und individueller Prozess. In den ersten Momenten könne der Schock so gross sein, dass Trauernde die Realität vorübergehend verleugnen. Dies diene als Schutzmechanismus,
um die Flut von Trauer, Angst, Schuldgefühlen oder auch Wut zu bewältigen.
wie können Betroffene solch ein Trauma bewältigen?
«Bestimmte Rituale einzuführen, die Erinnerungen an gute Zeiten bewahren und das Gedenken der Verstorbenen können förderliche Elemente sein», so Witting. Auch das soziale Umfeld könne durch offene Kommunikation, Verständnis und Mitgefühl einen grossen Unterschied machen. «Ebenso kann das Teilen von Erfahrungen mit anderen, die ähnliche Verluste erlitten haben, unterstützend sein.»
was hilft bei der Bewältigung, was schadet?
Die Unterstützung durch Fachpersonen wie Therapeuten
oder Psychologen sei hilfreich. «Es ist wichtig zu verstehen, dass Trauer und Trauma nicht einfach ‹geheilt› werden können, aber sie können im Laufe der Zeit bewältigt und integriert werden.» Die Traumatherapeutin betont, dass es Verhaltensmuster gebe, die den Trauer- und Heilungsprozess verzögern oder erschweren könnten. Dazu gehörten beispielsweise das Unterdrücken von Emotionen oder der Rückzug in die Isolation.
wie können Freunde oder Angehörige helfen?
In den ersten Tagen sei es entscheidend, den Betroffenen sofortige Unterstützung anzubieten, «um emotionalen Beistand
zu leisten», sagt Witting. Und: Da im Trauerprozess alltägliche Aufgaben überwältigend sein könnten, helfe es womöglich, Dinge wie das Einkaufen oder das Kochen zu übernehmen. Vor allem sei es wichtig, die unterschiedlichen Trauerreaktionen zu akzeptieren, ohne Urteile zu fällen. «Jeder Mensch trauert auf seine Weise, und es gibt keine festen Regeln dafür, wie Trauer auszusehen hat.» Eine unterstützende Umgebung zu schaffen, in der die Betroffenen ihre Gefühle und Gedanken teilen könnten, sei wichtig. «Manchmal kann einfach nur zuzuhören, ohne Ratschläge zu geben, sehr hilfreich sein.»