Twint: Wenn die Bezahl-app zum Anbaggern benutzt wird
Twint kommt zunehmend eine gesellschaftliche Bedeutung zu, die übers Bezahlen hinausgeht.
Durch die digitalen Interaktionen, die die User miteinander durch das Senden und Empfangen mit der App eingehen, wird Twint zum gesellschaftlichen Kitt. «Elektronische Peer-toPeer-zahlungen sind gerade bei Jugendlichen auch eine Form von Kommunikation», erklärt Markus Unternährer von der Universität Luzern. Als Teil eines vierköpfigen Forschungsteams untersucht er die Art, wie digitale Zahlungsmethoden bestehende Beziehungen verändern und neue erschaffen.
Durch Zahlungen entstehe eine Art Sozialität, erklärt er. «Diese beinhaltet beispielsweise Regeln im Freundeskreis: Bei wem kann ich etwas ausleihen, muss ich zurückzahlen, wie schnell?», so Unternährer. Mit gegenseitigen (Mikro-)transaktionen gestalten und erhalten Jugendliche ihre Beziehungen. Die entsprechenden Verhaltensregeln und -muster machen die Nutzergruppe zu einer Transaktionsgemeinschaft samt untergeordneten Subkulturen. Dass man die Transaktionen dann noch mit kleinen Nachrichten und Emojis garnieren kann, verleihe der Payment-app gewisse Ähnlichkeiten zu Social Media. Beispiele von der 20-Minuten-leserschaft unterstreichen diese Nähe zum sozialen Medium.
Eine Leserin, die anonym bleiben möchte, berichtet etwa: «Mit Transaktionen von Kleinstbeträgen werde ich immer wieder angebaggert.» Auch Freundinnen von ihr passiere das: «Schlimm ist es dann, wenn man mehr oder weniger fremden Personen wegen Twint seine Nummer teilt und dann die Anmache losgeht.»
Ebenfalls eine gängige Praxis sei es, so berichten gleich mehrere Leser, sich mit Kleinsttransaktionen für Twint-gewinnspiele zu qualifizieren. So konnte man beispielsweise nur an der Weihnachtsverlosung (Hauptpreis war ein Hotelgutschein von 5000 Franken) teilnehmen, wenn man mindestens 24-mal getwintet hatte.