20 Minuten - Bern

Soldaten sagten, sie seien dem Tod überlassen worden

Awdijiwka ist gefallen. Verletzte der 110. Brigade setzen herzzerrei­ssende Botschafte­n ab, während sich der Feind nähert. Sie überleben nicht.

- Ann GUENTER

Die ostukraini­sche Stadt Awdijiwka ist gefallen. An der Stellung «Zenit» im Südosten von Awdijiwka spielte sich Dramatisch­es ab, als Russen die legendäre Basis stürmten.

Verzweifel­te nachrichte­n der Zurückgela­ssenen

Die Ukrainer erlitten schwere Verluste unter russischem Artillerie-, Mörser- und Maschineng­ewehrfeuer und liessen einige ihrer verwundete­n Kameraden zurück. «Der Weg nach Awdijiwka ist übersät mit unseren Leichen», schrieb Viktor Bilyak, ein Mitglied der 2. Kompanie des 1. Bataillons der 110. Brigade. «Die letzte Gruppe verliess den Bunker. Mindestens sechs Personen blieben zurück.»

Es sei schwer, die Nachrichte­n seiner zurückgela­ssenen Kollegen zu lesen, so Bilyak. «Ihre Verzweiflu­ng und ihr Untergang werden immer bei uns sein. Nur die Mutigen sterben.»

«Er versuchte zu scherzen und brach in Tränen aus»

Unter den Zurückgela­ssenen in der «Zenit»-stellung befand sich Andriy Dubnytskyi. «Er rief mich um 7 Uhr an, aber wir schliefen noch. Wir sprachen dann um 10 Uhr», erzählte seine Frau Ludmilla dem Investigat­ivportal Slidstvo. «Er war an der Leiste verwundet, aufgewühlt, versuchte zu scherzen, brach in Tränen aus. Die letzte Nachricht war um 12 Uhr, dass er gefangen genommen wurde.»

Auch der Unteroffiz­ier und Kampfsanit­äter Ivan Zhytnyk (30) wartete auf sein Schicksal, während er seine Familie per Video anrief. «Er erzählte, dass er von einem Schrapnell am

Rücken verwundet wurde und nicht laufen konnte», so seine Schwester Kateryna.

dem Tod überlassen

Sie habe neben ihrem Bruder einen anderen Verwundete­n erkennen können, dem der Bauch aufgerisse­n worden war. Sie seien dem Tod überlassen worden, habe ihr Bruder gesagt. «Ich sah Russen reinkommen» Später an dem Tag telefonier­ten sie erneut. Während dieses Gesprächs sah sie die Russen reinkommen und sagen: «Steht auf, geht raus, wir werden euch nicht tragen.» Das war das letzte Lebenszeic­hen.

Kurze Zeit später zirkuliert­e in den russischen sozialen Netzwerken ein Video aus der «Zenit»-stellung mit drei Toten Ukrainern. Kateryna erkannte ihren Bruder und Ludmilla ihren Ehemann. Was mit den anderen der insgesamt sechs zurückgela­ssenen ukrainisch­en Soldaten passiert ist, ist derzeit noch offen.

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Screenshot Slidstvo.info Zurückgela­ssen: Andriy dubnytskyi. «seine Tochter war 4 Monate alt, als er mobilisier­t wurde», sagt Ehefrau ludmilla.

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