Verübt Israel Genozid? Antworten auf schwierige Fragen
20 Minuten beantwortet kontroverse Fragen rund um den Krieg im Gazastreifen.
Objektiv über den Krieg zu schreiben, ist schwierig, verlässliche Informationen sind rar. Auf wichtige Fragen gibt es keine eindeutigen Antworten. Die Nahostexperten Reinhard Schulze und Andreas Böhm beantworten sie, so gut es geht.
Darf Israel Hamasangehörige töten?
Böhm: Man darf Angehörige der Hamas nicht einfach töten, ausser im Gefecht. Auch gezielte Tötungen sind nur dann rechtmässig, wenn es sich um Kämpfer handelt.
Schulze: Aus israelischer Sicht erfolgen die aussergerichtlichen Tötungen als Notwehr gegen erfolgte oder drohende Gewalt. Warum ist es so schwierig, die Zivilbevölkerung von der Hamas zu trennen?
Schulze: Hamaskämpfer sind selten uniformiert. Zudem gibt es keine klaren Frontlinien, Hamasleute können in der Menge untertauchen. Darum gibt es so viele zivile Opfer. Böhm: Nach dem Völkerrecht ist Israel dazu verpflichtet, die Zivilbevölkerung so gut zu schützen, wie es geht. Israel sagt zwar, es würde dies tun, es gibt aber berechtigte Zweifel.
Wieso wehren sich die Zivilisten nicht gegen die Hamas? Böhm:
Die meisten in Gaza kämpfen ums Überleben. Die Frage des Widerstands kommt erst auf, wenn der Krieg vorbei oder unterbrochen ist. Die Hamas wird aber keinesfalls vorbehaltlos unterstützt. Schulze: Es gibt einen Widerstand, sogar in organisierter Form, etwa aus der Partei Fatah. Noch funktioniert die Unterdrückung der Hamas aber in Teilen des Landes.
Warum wird die Hamas nicht angeklagt?
Böhm: Die Hamas als Organisation kann im Gegensatz zu Israel nicht vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) angeklagt werden.
Verübt Israel einen Genozid? Schulze: Das kann so noch nicht bestimmt werden. Genozid ist ein juristischer Tatbestand. Der IGH hat ja in seinem Entscheid die juristische Prüfung zugelassen. Man wird in einigen Jahren wissen, ob der Tatbestand erfüllt war.