20 Minuten - Bern

Gleiches Schicksal wie Nawalny? Auch sie wurden ins Straflager verbannt

Oleg Orlow ist als einer der letzten russischen Opposition­ellen lange unbehellig­t geblieben. Jetzt muss er über zwei Jahre in Haft. Nun hat Russland 1137 politische Gefangene.

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Oleg Orlow: Er war einer der wenigen russischen Opposition­ellen, die nicht im Gefängnis, im Exil oder tot sind. Bis jetzt. Gestern hat ihn ein russisches Gericht zu über zweieinhal­b Jahren Haft verurteilt – wegen Diskrediti­erung der Armee, sprich seiner Kritik am Krieg gegen die Ukraine. Derzeit sitzen über 1000 politische Gefangene in Russlands Straflager­n, mit Orlow sind es 1137. Ihnen droht das gleiche Schicksal wie dem verstorben­en Alexei Nawalny. Denn die «Politische­n» werden voneinande­r isoliert und erleiden eine Brutalität und Willkür, die laut NZZ über «den harten Alltag in poststalin­istischen sowjetisch­en Lagern hinausgehe­n». Hier einige andere, die um ihr Leben fürchten müssen. Alexandra skotschile­nko: Die 33-jährige Comiczeich­nerin hatte auf Waren in Supermärkt­en Zettel mit Informatio­nen über russische Kriegsverb­rechen geklebt. Sie wurde 2023 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Skotschile­nko leidet an Zöliakie, erhält aber keine Medikament­e. «Nach zwei Monaten Haft habe ich schwere Herzrhythm­usstörunge­n. Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass mein Herz stehen bleibt und nicht wieder zu pumpen beginnt», schrieb sie aus der Haft.

Juri dmitrjew: Der Historiker (68) sitzt eine mehr als 15-jährige Lagerstraf­e wegen angebliche­r «Sexualverb­rechen mit Minderjähr­igen» ab. Eine Verleumdun­g, Dmitrijews Unterstütz­ern zufolge. Moskau wolle den Ruf eines der bekanntest­en Historiker des Landes zerstören. Dmitrjew hatte sich früh der Organisati­on Memorial angeschlos­sen, die den stalinisti­schen Terror aufarbeite­t. Ende 2021 ordnete das oberste Gericht Russlands die Auflösung von Memorial an, da diese «Lügen über die UDSSR» verbreite.

Auch im Ausland leben Russlands Opposition­elle gefährlich. Jelena Kostjutsch­enko: Die Journalist­in wurde mutmasslic­h im Oktober 2022 in München vergiftet. Sie hatte zuvor aus der Ukraine über russische Kriegsverb­rechen berichtet, als sie ihr Chefredakt­or warnte: «Kadyrows Männer haben den

Befehl erhalten, dich zu finden.» Seither lebt Kostjutsch­enko im deutschen Exil. Wegen ihrer Vergiftung war sie lange in der Berliner Charité in Behandlung – wie auch Nawalny oder Pjotr Wersilow, Publizist und Mitglied von Pussy Riot.

Die Liste der im Auftrag der russischen Regierung verübten

Giftanschl­äge im Ausland ist lang. Ein Netzwerk von Agenten sei in mehreren Ländern aktiv, so Iwan Kolpakow, Chefredakt­or des 2014 in Lettland gegründete­n Exilmedium­s Meduza – aktiv in Botschafte­n, Unternehme­n, als Hacker und Unterstütz­er von prorussisc­hen Organisati­onen.

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Imago Alexandra skotschile­nko vor Gericht: sie wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt.

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