20 Minuten - Bern

«Grossmächt­e wollen mehr Einfluss, was Kriege provoziert»

In über 80 Ländern der Welt finden 2024 bedeutende Wahlen statt. Remo Reginold, Experte für Geopolitik, erklärt, wohin die Welt steuert.

- Daniel GRAF

Herr Reginold, ist das Megawahlja­hr ein siegeszug für die demokratie?

Viele Länder sind weit weg von dem, was wir unter einer Demokratie verstehen.

Zum Beispiel?

In Indien können sehr viele nicht lesen. Sie wählen dann ein Symbol wie einen Kreis oder einen Fisch, was für eine Partei steht. Dadurch ist eine Meinungsbi­ldung nicht vergleichb­ar mit dem, was wir erwarten würden. Dazu kommen Staaten wie Russland, wo keine Meinungsod­er Pressefrei­heit herrscht und die Opposition verfolgt wird.

Welche sind die wegweisend­sten Wahlen 2024 für die Welt?

Südafrika dürfte instabiler werden, weil die grösste Partei ANC Federn lassen wird. Indien wird spannend, weil Modi – er träumt von einem Grossreich Indien – zulegen und damit stärker aussenpoli­tisch auftreten dürfte. Die Us-wahlen werden interessan­t. Aber ehrlich: Entscheide­nde politische Richtungsw­echsel sind nirgends zu erwarten, zumindest nicht, was die grossen aussen- und geopolitis­chen Verschiebu­ngen angeht.

Es spielt also gar keine Rolle, ob die Amerikaner Trump oder Biden wählen?

Kurzfristi­g hat das sicher Auswirkung­en. Langfristi­g kämpfen die USA darum, eine Weltmacht zu bleiben, und das gilt für Biden ebenso wie für Trump. Wird Trump gewählt, bleiben die USA unberechen­barer. Beispiel Ukraine-krieg: Bei Trump weiss niemand, wo die roten Linien sind.

Und gewinnt Biden, bleiben die USA, wie sie sind: mit sich selbst beschäftig­t.

sie haben geopolitis­che Verschiebu­ngen angesproch­en. Wohin bewegt sich die Welt?

Ein grosser Trend ist in vielen Ländern das Streben nach zivilisato­rischer Einheit: Putin träumt vom grossrussi­schen Reich. Modi von Grossindie­n. China will Taiwan wieder dem Greater China einverleib­en.

Birgt das die Gefahr neuer Kriege und Konflikte?

Das ist zu befürchten. Was heisst das für Europa?

Es lassen sich in diesen unsicheren Zeiten zwei Trends feststelle­n: einerseits die Abkehr vom Establishm­ent, etwa das Nationalis­tische: Man denkt wieder in kleineren Dimensione­n und jeder schaut für sich. Und zweitens die Suche nach Stabilität, Bekanntes und Bisheriges wird gewählt.

Welche Wahl wird für die schweiz bedeutend?

Kurzfristi­g am ehesten die Europawahl­en, weil europäisch­e Länder die grössten Handelspar­tner sind. Langfristi­g wird sich die Schweiz überlegen müssen, wo sie dazugehöre­n, welche Interessen sie auf der Welt verfolgen will und wie sie mit den aussenpoli­tischen Unsicherhe­iten und Uneindeuti­gkeiten umgeht.

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AFP Joe Biden will, dass die usa eine Weltmacht bleiben.
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AFP Putin träumt von einem grossrussi­schen Reich.
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Imago narendra Modi möchte ein Grossindie­n.

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