«Das Hamas-verbot zerstört die Glaubwürdigkeit der Schweiz»
Zürich Palästinenserfreund Geri Müller spricht im Interview über das Hamas-verbot. Die Schweiz verfalle in einen einseitigen Aktivismus, sagt er.
herr Müller, der Bundesrat will die hamas verbieten. was sagen Sie zum Vorhaben des Bundesrats?
Das Hamas-verbot zerstört die Glaubwürdigkeit der Schweiz. Und zwar aus mehreren Gründen: Die Hamas wurde bei den letzten Wahlen 2006 mit rund 60 Prozent der Stimmen gewählt. Ich atmete damals auf, als die Schweiz den Volkswillen der Palästinenserinnen und Palästinenser anerkannte, obwohl Israel, die USA und die EU diesen Volksentscheid abstraften. Mit dem Hamas-verbot verfällt die Schweiz aber in einen Aktivismus, der kurzsichtig, einseitig und zudem nicht redlich ist.
warum?
Sind denn die Hamas-bürgermeister
in Nablus und Jenin jetzt Terroristen, die seit vielen Jahren gute Arbeit leisten und die anderen Parteien beim Regieren integrieren? Und wenn ich mit ihnen rede, riskiere ich eine zehnjährige Gefängnisstrafe – das ist absurd. Mit dem Hamas-verbot sollen auch Geldübergaben an die Hamas bestraft werden. Wenn ich einem Hamas-mitglied 50 Franken gebe, werde ich künftig bestraft. Aber wenn aus Katar Milliarden in den Gazastreifen fliessen, wird das noch gefördert. Die
Rolle Israels wird mit keinem Wort kritisch beleuchtet. Es interessiert den Bundesrat auch nicht, warum Israel vor dem Massaker vom 7. Oktober Warnungen von eigenen Beobachterinnen, Ägypten und den USA missachtet hat. Auffällig ist, dass Netanyahus umstrittene Justizreform, wegen der es vorher Demos gab, seit dem 7. Oktober kein Thema mehr ist.
Sie haben 2012 hamas-vertreter im Bundeshausrestaurant empfangen. würden Sie das nach dem 7. Oktober immer noch machen?
Die Gesellschaft Schweiz-palästina (GSP) verurteilt jegliche Gewalt, auch das Massaker vom 7. Oktober. Wer daran beteiligt war, gehört hinter Gitter. Das steht ausser Frage. Doch meine Sicht auf die Hamas hat sich nicht verändert. Es ist eine teilweise extremistische Organisation, die in den Achtzigerjahren aus der ägyptischen Muslimbruderschaft heraus entstanden ist. Doch sie wird vom palästinensischen Volk breit unterstützt, auch heute noch. Man kann nicht alle Hamas-mitglieder als Terroristen einstufen. Das ist völlig unverhältnismässig und gegen die Realität. ein Gast, den Sie damals im Bundeshaus-restaurant hatten: Mushir al-masri. in einem Auto bei seinem haus wurden Kalaschnikows, Panzerabwehrhandwaffen und Granaten gefunden sowie sein Führerausweis.
was sagen Sie dazu?
Israelis laufen seit Jahren in Israel bewaffnet herum. Dass auch hochrangige Personen der al-qassam-brigaden (der militärische Arm der Hamas) bewaffnet sind, ist auch länger bekannt. Persönlich bin ich generell gegen Bewaffnung – und zwar überall.