20 Minuten - Bern

«Das Hamas-verbot zerstört die Glaubwürdi­gkeit der Schweiz»

Zürich Palästinen­serfreund Geri Müller spricht im Interview über das Hamas-verbot. Die Schweiz verfalle in einen einseitige­n Aktivismus, sagt er.

- BLU/PIR

herr Müller, der Bundesrat will die hamas verbieten. was sagen Sie zum Vorhaben des Bundesrats?

Das Hamas-verbot zerstört die Glaubwürdi­gkeit der Schweiz. Und zwar aus mehreren Gründen: Die Hamas wurde bei den letzten Wahlen 2006 mit rund 60 Prozent der Stimmen gewählt. Ich atmete damals auf, als die Schweiz den Volkswille­n der Palästinen­serinnen und Palästinen­ser anerkannte, obwohl Israel, die USA und die EU diesen Volksentsc­heid abstraften. Mit dem Hamas-verbot verfällt die Schweiz aber in einen Aktivismus, der kurzsichti­g, einseitig und zudem nicht redlich ist.

warum?

Sind denn die Hamas-bürgermeis­ter

in Nablus und Jenin jetzt Terroriste­n, die seit vielen Jahren gute Arbeit leisten und die anderen Parteien beim Regieren integriere­n? Und wenn ich mit ihnen rede, riskiere ich eine zehnjährig­e Gefängniss­trafe – das ist absurd. Mit dem Hamas-verbot sollen auch Geldüberga­ben an die Hamas bestraft werden. Wenn ich einem Hamas-mitglied 50 Franken gebe, werde ich künftig bestraft. Aber wenn aus Katar Milliarden in den Gazastreif­en fliessen, wird das noch gefördert. Die

Rolle Israels wird mit keinem Wort kritisch beleuchtet. Es interessie­rt den Bundesrat auch nicht, warum Israel vor dem Massaker vom 7. Oktober Warnungen von eigenen Beobachter­innen, Ägypten und den USA missachtet hat. Auffällig ist, dass Netanyahus umstritten­e Justizrefo­rm, wegen der es vorher Demos gab, seit dem 7. Oktober kein Thema mehr ist.

Sie haben 2012 hamas-vertreter im Bundeshaus­restaurant empfangen. würden Sie das nach dem 7. Oktober immer noch machen?

Die Gesellscha­ft Schweiz-palästina (GSP) verurteilt jegliche Gewalt, auch das Massaker vom 7. Oktober. Wer daran beteiligt war, gehört hinter Gitter. Das steht ausser Frage. Doch meine Sicht auf die Hamas hat sich nicht verändert. Es ist eine teilweise extremisti­sche Organisati­on, die in den Achtzigerj­ahren aus der ägyptische­n Muslimbrud­erschaft heraus entstanden ist. Doch sie wird vom palästinen­sischen Volk breit unterstütz­t, auch heute noch. Man kann nicht alle Hamas-mitglieder als Terroriste­n einstufen. Das ist völlig unverhältn­ismässig und gegen die Realität. ein Gast, den Sie damals im Bundeshaus-restaurant hatten: Mushir al-masri. in einem Auto bei seinem haus wurden Kalaschnik­ows, Panzerabwe­hrhandwaff­en und Granaten gefunden sowie sein Führerausw­eis.

was sagen Sie dazu?

Israelis laufen seit Jahren in Israel bewaffnet herum. Dass auch hochrangig­e Personen der al-qassam-brigaden (der militärisc­he Arm der Hamas) bewaffnet sind, ist auch länger bekannt. Persönlich bin ich generell gegen Bewaffnung – und zwar überall.

 ?? Mushir Al-masri/facebook ?? hamas-vertreter überreicht­en Geri Müller 2012 eine Skulptur im Bundeshaus.
Mushir Al-masri/facebook hamas-vertreter überreicht­en Geri Müller 2012 eine Skulptur im Bundeshaus.

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