20 Minuten - Bern

«Es ist wichtig, rote Linien zu definieren»

-

Herr Urbaniok, sie sagen, A. habe sich für das schweizer Bürgerrech­t disqualifi­ziert. was meinen sie damit?

Genau das. Bei Personen, die schwerste Straftaten wie extremisti­sch motivierte Gewaltdeli­kte begehen, sollte die Möglichkei­t bestehen, das Bürgerrech­t wieder zu entziehen.

was bringt das?

Zwei Sachen: Handelt es sich um einen gefährlich­en Täter, kann er ausgeschaf­ft und damit die Gefahr für die Gesellscha­ft reduziert werden. Und wir senden ein klares Signal an Menschen, die sich einbürgern lassen möchten: Ihr seid willkommen. Doch es gibt rote Linien. Wenn sie überschrit­ten werden, ist das mit dem Bürgerrech­t nicht mehr vereinbar.

Unter Ihrem Post wird Ihnen vorgeworfe­n, damit schweizer Bürger zweiter Klasse zu schaffen.

Ich finde diesen Gedanken bizarr. Bei jedem Menschen, der eingebürge­rt wird, fällt die Schweiz einen Entscheid: Wir vertrauen dieser Person und zählen darauf, dass sie sich integriert und positiv in unsere Gesellscha­ft einbringen will. Die allermeist­en dieser Menschen tun das. Daher sollte doch niemand Mühe mit der Vorstellun­g haben, dass er dieses Bürgerrech­t wieder verlieren könnte, wenn er das Vertrauen missbrauch­t.

es gibt dann eine rechtliche Handhabe für schweizer und eine für schweizer mit Migrations­hintergrun­d. Ist das nicht eine klassische Zweiklasse­njustiz?

Jedes Prinzip, das bis zur letzten Konsequenz starr umgesetzt wird, führt zu Absurdität­en. Es ist eine Frage der Balance zwischen einer liberalen Einbürgeru­ngspraxis und einer Korrekturm­öglichkeit bei einem schweren Integratio­nsversagen.

sie meinen die Ausländerk­riminalitä­t?

Das ist das übergeordn­ete Argument: Die Kriminalit­ätsquoten von Personen mit Migrations­hintergrun­d bestimmter Länder sind massiv erhöht. Wir müssen diese Probleme benennen, damit wir sie angehen können.

Zurück zu A.: Radikalisi­ert wurde er wohl in der schweiz.

Es ist absolut zentral, dagegen vorzugehen. Hasspredig­er müssen bekämpft werden.

A. hat mit 15 sein Leben noch vor sich. Glauben sie an Reintegrat­ion?

Das kann ich unmöglich sagen. Es geht jetzt darum, seine Radikalisi­erung und Persönlich­keit aufzuschlü­sseln und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

 ?? Reto Oeschger/tamedia ?? Frank Urbaniok ist Gerichtsps­ychiater.
Reto Oeschger/tamedia Frank Urbaniok ist Gerichtsps­ychiater.

Newspapers in German

Newspapers from Switzerland