Unter dem Zügelwagen
Sprache, die so bildkräftig, originell und frech ist, dass man bis zum Schluss nicht mehr von der Geschichte loskommt. Schön vor allem auch die Jungmädchenliebe zur slowenischen Freundin Luca, die dem manchmal auch Schweren, ja Drastischen des Erlebten eine «Geht di nix on», sagt die Elfjährige auf Kärntnerdeutsch, wenn man sie nach dem Namen fragt. Es ist 1994, die Familie zieht von Gratschbach nach Klosterberg, sie sitzt unter dem gepackten Zügelwagen und erzählt wild drauf los. Vom Goldzahnlächeln des Vaters, den Erziehungsversuchen der besorgten Mutter, vom Lieblingsessen namens Kletznudel, vom Bruder Thomas, der an die Olympiade will, von Franzi Ruck, der in den Dorfbrunnen hinabgeklettert ist und nun auf dem Friedhof liegt, vom Klavierspielen, das sie hasst, und davon, dass sie lieber ein Junge wäre. Dunkles und Helles, Fröhliches und Trauriges, Fetzen und Ahnungen von Aktuellem und Früherem in der österreichischen Geschichte, vor allem aber die eigenwilligcoole, frisch-muntere Weltsicht eines altklugen jungen Mädchens – all das vermittelt Julia Josts Romanerstling einen eigenartigen Zauber. Selbst aus dem österreichischen Grenzgebiet am Fuss der Karawanken stammend, verfügt die Autorin über eine kärntnerisch gefärbte, aber leicht verständliche schützende Geborgenheit gegenüberstellt: etwas wie Drachenblut, in dem das junge Mädchen baden und sich gegen die Sorgen und Nöte wappnen kann.
«Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht», Julia Jost, suhrkamp Verlag, fr. 35.