Bewerbungsgespräche: Droht Instrumentalisierung?
Im Bewerbungsgespräch für ein Doktorat an der Uni können Fragen zu Diversität oder kultureller Vielfalt gestellt werden. «Moderne Inquisition»?
Das ist passiert
Die Universität Basel gibt in einem «Leitfaden zur Durchführung erfolgreicher Bewerbungsgespräche» Tipps an Professoren, die Bewerbungsgespräche mit angehenden Doktoranden führen. Im Kapitel Kernkompetenzen finden sich vier Fragen zum Thema «Diversität und Inklusion», wie die «Weltwoche» zuerst berichtete. Das sorgt für Kritik.
Die Fragen
Wer in Basel doktorieren will, kann sich künftig mit folgenden Fragen konfrontiert sehen:
«Welche Erfahrungen haben
Sie mit kultureller Vielfalt gemacht?»
«Wie gehen Sie mit kulturellen Unterschieden und Diversität um?»
«Wie agieren Sie in einem diversen Umfeld und wie stellen Sie Inklusion sicher?»
«Welche Vorteile und Herausforderungen bietet die kulturelle Vielfalt?»
«Moderne Inquisition droht»
Martin Steppan, Psychologe an der Universität Basel, sagt: «Das Konzept der Diversität ist in sich kontrovers. Betrachtet man jeden Menschen als Individuum, ist automatisch jede
Kombination divers. In der heutigen Auslegung von Diversität und Inklusion werden Menschen leider oft auf Merkmale wie Hautfarbe oder Geschlecht reduziert.» Er befürchte, dass die Bewerbungsgespräche «instrumentalisiert werden könnten, um Kollegen mit der falschen Ideologie gar nicht erst zum Studium zuzulassen».
Historiker und Rassismusforscher: «widerspricht Konzept der freien Forschung»
Zsolt Balkanyi ist Historiker und Präsident der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus. Er forderte schon vor ein paar Wochen in anderem Zusammenhang, dass Unis wieder ideologiefrei werden müssten. Wer sich auf ein Doktorat bewerbe, müsse in erster
Linie zeigen, dass er oder sie die wissenschaftlichen Qualifikationen dafür mitbringe. «Die Qualität der Forschungsleistung an sich wird ja vom Professor überprüft und es gibt einen Zweitgutachter. Schon beim Bewerbungsgespräch Fragen mit ideologischem Interpretationsspielraum zuzulassen, finde ich deshalb heikel.»
«Das Thema ist heikel»
Ähnlich sieht es Karin Signer, Personalexpertin mit über 20 Jahren Erfahrung: «Das Thema ist extrem sensitiv, kein Betrieb und auch keine Uni kommt mehr darum herum. Ob dieses Thema jedoch bei einer Bewerbung um ein Doktorat angesprochen werden muss, sollte situativ entschieden werden.» Uni: «Fragen nach der Gesindie
nung sind unzulässig»
Die Uni wehrt sich: Im Leitfaden werde darauf hingewiesen, dass die Fragen einen Bezug zur Anstellung haben müssten.
Leitfaden wird überarbeitet
Trotzdem: «Der erwähnte Leitfaden ist derzeit in redaktioneller Überarbeitung und deshalb nicht verfügbar», heisst es, als 20 Minuten den Leitfaden selbst lesen möchte.