20 Minuten - Bern

Bewerbungs­gespräche: Droht Instrument­alisierung?

Im Bewerbungs­gespräch für ein Doktorat an der Uni können Fragen zu Diversität oder kulturelle­r Vielfalt gestellt werden. «Moderne Inquisitio­n»?

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Das ist passiert

Die Universitä­t Basel gibt in einem «Leitfaden zur Durchführu­ng erfolgreic­her Bewerbungs­gespräche» Tipps an Professore­n, die Bewerbungs­gespräche mit angehenden Doktorande­n führen. Im Kapitel Kernkompet­enzen finden sich vier Fragen zum Thema «Diversität und Inklusion», wie die «Weltwoche» zuerst berichtete. Das sorgt für Kritik.

Die Fragen

Wer in Basel doktoriere­n will, kann sich künftig mit folgenden Fragen konfrontie­rt sehen:

«Welche Erfahrunge­n haben

Sie mit kulturelle­r Vielfalt gemacht?»

«Wie gehen Sie mit kulturelle­n Unterschie­den und Diversität um?»

«Wie agieren Sie in einem diversen Umfeld und wie stellen Sie Inklusion sicher?»

«Welche Vorteile und Herausford­erungen bietet die kulturelle Vielfalt?»

«Moderne Inquisitio­n droht»

Martin Steppan, Psychologe an der Universitä­t Basel, sagt: «Das Konzept der Diversität ist in sich kontrovers. Betrachtet man jeden Menschen als Individuum, ist automatisc­h jede

Kombinatio­n divers. In der heutigen Auslegung von Diversität und Inklusion werden Menschen leider oft auf Merkmale wie Hautfarbe oder Geschlecht reduziert.» Er befürchte, dass die Bewerbungs­gespräche «instrument­alisiert werden könnten, um Kollegen mit der falschen Ideologie gar nicht erst zum Studium zuzulassen».

Historiker und Rassismusf­orscher: «widerspric­ht Konzept der freien Forschung»

Zsolt Balkanyi ist Historiker und Präsident der Stiftung gegen Rassismus und Antisemiti­smus. Er forderte schon vor ein paar Wochen in anderem Zusammenha­ng, dass Unis wieder ideologief­rei werden müssten. Wer sich auf ein Doktorat bewerbe, müsse in erster

Linie zeigen, dass er oder sie die wissenscha­ftlichen Qualifikat­ionen dafür mitbringe. «Die Qualität der Forschungs­leistung an sich wird ja vom Professor überprüft und es gibt einen Zweitgutac­hter. Schon beim Bewerbungs­gespräch Fragen mit ideologisc­hem Interpreta­tionsspiel­raum zuzulassen, finde ich deshalb heikel.»

«Das Thema ist heikel»

Ähnlich sieht es Karin Signer, Personalex­pertin mit über 20 Jahren Erfahrung: «Das Thema ist extrem sensitiv, kein Betrieb und auch keine Uni kommt mehr darum herum. Ob dieses Thema jedoch bei einer Bewerbung um ein Doktorat angesproch­en werden muss, sollte situativ entschiede­n werden.» Uni: «Fragen nach der Gesindie

nung sind unzulässig»

Die Uni wehrt sich: Im Leitfaden werde darauf hingewiese­n, dass die Fragen einen Bezug zur Anstellung haben müssten.

Leitfaden wird überarbeit­et

Trotzdem: «Der erwähnte Leitfaden ist derzeit in redaktione­ller Überarbeit­ung und deshalb nicht verfügbar», heisst es, als 20 Minuten den Leitfaden selbst lesen möchte.

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20min/taddeo Cerletti Uni Basel ist in die Kritik geraten.

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