«Eu-atomwaffen ziehen russischen Erstschlag eher an»
Trump drohte bereits mit dem Nato-austritt, Putin mit einem dritten Weltkrieg. Einige fordern darum eine Eu-atommacht. Wie sinnvoll wäre das? Experte Alexander Bollfrass ordnet ein.
Kein Schutz mehr durch die USA für Europa? Diese Frage stellen sich angesichts der potenziellen Wiederwahl von Donald Trump und seiner jüngsten Drohungen einige Nato-staaten im Falle eines russischen Angriffs. Dazu kommen Putins Drohungen eines dritten Weltkriegs. So fordert etwa die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, dass Europa atomar aufrüsten solle. Alexander Bollfrass, Senior Researcher am Center for Security Studies der ETH, ordnet ein.
Herr Bollfrass, wie ernst sollte man Trumps drohung nehmen?
Die Worte eines Kandidaten für die Us-präsidentschaft sind generell ernst zu nehmen. Wir wissen aber, dass Trump schon oft mehr gebellt als gebissen hat. Seine Äusserungen sind Ausdruck der seit langem bestehenden amerikanischen Frustration über die mangelnde Bereitschaft Europas, in die eigene Verteidigung zu investieren.
Wie sollte die Politik mit der drohung umgehen?
Europa sollte in seine Verteidigungsfähigkeiten
investieren. Unabhängig vom Ausgang der Us-wahl wird die Sicherheit in Asien für die USA immer wichtiger und schwieriger zu handhaben sein. Ein starkes, verteidigungsfähiges Europa wird ein willkommener transatlantischer Partner sein.
Welche tatsächlichen Bedrohungen bestehen für Europa und auch für die schweiz?
Russland bleibt die grösste und akuteste Bedrohung für Europas Sicherheit. Ein direkter russischer Angriff auf Länder in sicherer Entfernung wie die Schweiz ist zwar äusserst unwahrscheinlich. Es ist aber zu erwarten, dass Russland seine Angriffe auf die relativ sichere und stabile politische Ordnung in Europa mit verschiedenen Mitteln fortsetzen wird.
Braucht es Eu-atomwaffen?
Es kann nicht genug betont werden, wie schlecht die Idee einer Eu-atomwaffe ist. Ein Eu-waffenprogramm könnte die weltweite Nuklearordnung gefährden. Sowohl die USA als auch Russland würden sich dagegen wehren. Eu-atomwaffen würden einen russischen Erstschlag eher anziehen als abschrecken.
Selbst wenn die USA aus der Nato austreten sollten, würde der Rest des Bündnisses mit zwei nuklear bewaffneten Mitgliedern – Grossbritannien und Frankreich – bestehen bleiben. Die Eu-mitgliedsstaaten würden sich viel mehr Sicherheit erkaufen, wenn sie ihre konventionellen, also nicht nuklearen Verteidigungsfähigkeiten über die Nato koordinieren würden.