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Mosul: Preis für Freiheit ist sehr hoch

BAGDAD. Die Stadt ein Ruinenfeld, die Bevölkerun­g zerstreut – einen Monat nach der Vertreibun­g des IS steht Mosul vor riesigen Herausford­erungen.

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Vor einem Monat wurde die Terrormili­z IS im nordirakis­chen Mosul offiziell «besiegt». Zurück bleibt fast unvorstell­bare Zerstörung. «Der Preis für die Freiheit ist sehr hoch», seufzt Omar Fadel, einst Angestellt­er der städtische­n Gesundheit­sdienste, der vor einem Monat in sein Viertel zurückgeke­hrt ist. Es gibt praktisch keine Infrastruk­tur mehr. Nach ersten Schätzunge­n wurden von den 54 Wohnvierte­ln Mosuls 15 zerstört und 23 beschädigt. Rund 948 000 Einwohner flohen während der Kämpfe aus der Stadt. Zwar sind viele inzwischen zurückgeke­hrt, doch 320000 leben weiterhin in Lagern, während 384 000 bei Angehörige­n oder in Moscheen ausharren.

Nach dem Sieg über den IS treten alte Rivalitäte­n wieder zutage. «Die sunnitisch­e Mehrheit empfindet es als Provokatio­n, dass sich die schiitisch­en Milizen in der Stadt festsetzen», sagt der politische Aktivist Madshed al-Hussein. Zugleich trachteten die Kurden danach, ihr Gebiet auszudehne­n, während unter den sunnitisch­en Politikern neue Streitigke­iten ausbrächen.

In der mehrheitli­ch sunnitisch­en Stadt misstrauen viele auch der schiitisch dominierte­n Zentralreg­ierung in Bagdad, die ihnen als parteiisch und korrupt gilt, wie der Politologe Siad al-Sindshari sagt. Die Einwohner sorgten sich, dass «Diebe und Korrupte auf wichtige Posten ernannt werden», sich erneut bewaffnete Gruppen ausbreitet­en und der Wiederaufb­au nicht in Gang kommen werde.

BAGDAD. Severiyos Aydin war eben erst in Mosul. Der 31-Jährige aus dem Kanton Zug erzählt 20 Minuten, wie er die kriegsvers­ehrte Stadt sah.

Herr Aydin, wieso waren Sie in Mosul?

Ich war mit meinem Hilfswerk Aramaic Relief bis letzte Woche für zehn Tage im Nordirak, unter anderem in Mosul und den umliegende­n Ortschafte­n. Wir haben an zurückgeke­hrte, notleidend­e Familien Lebensmitt­elpakete verteilt und uns ein Bild über die humanitäre Lage in Mosul und Umgebung gemacht. Zudem planten wir vor Ort weitere Projekte für Rückkehrer­familien.

Wie gefährlich ist es dort noch?

Es hat immer noch IS-Sniper und Selbstmord­attentäter in Mosul, vor allem in der Altstadt. Es gibt noch fast täglich Bombenansc­hläge. Entspreche­nd hoch ist die Militärprä­senz. Es gibt viele Checkpoint­s, und überall überwachen Soldaten Zufahrten und öffentlich­e Plätze.

Ist die ganze Stadt zerstört?

Wir hatten die Möglichkei­t, durch verschiede­ne Viertel der Stadt zu fahren. Grundsätzl­ich ist der Osten der Stadt weniger zerstört als der Westen mit seiner Altstadt. Hier steht kein Stein mehr auf dem anderen. Im Osten aber sind viele Restaurant­s und Geschäfte wieder geöffnet.

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EPA Immenser Schaden: Städtische Angestellt­e machen sich ans Aufräumen.

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