20 Minuten - Deutschschweiz uberregional
Gatlin, der Störenfried an Bolts magischem Abend
LONDON. Ein gefeierter Verlierer und ein ausgebuhter Sieger: Nach dem 100-m-Final der Männer haben sich bizarre Szenen ereignet.
Beim letzten Mal hat es für Usain Bolt nicht mehr gereicht. Der Star aus Jamaika musste sich bei seinem geplanten goldenen Abschied von der grossen Bühne mit WM-Bronze über 100 m (9,95 Sekunden) begnügen. Die Fans feierten ihn dennoch wie einen Sieger, obwohl Bolt im amerikanischen Dauerrivalen Justin Gatlin (9,92) und dessen aufstrebendem Landsmann Christian Coleman (9,94) gleich zwei Bezwinger gefunden hatte. «Ihr seid wunderbar, ich danke euch», schrie Bolt nach einer Umarmung mit Gatlin mehrere Male ins Stadionmikrofon.
Gatlin hingegen vermied eine Ehrenrunde, die Buhrufe wollte er nicht noch einmal hören. Das Publikum verzieh ihm seine Vergangenheit als zweifacher Dopingsünder nicht. Gleich nach dem Rennen nahm Bolt den bulligen Gatlin in die Arme. Der Sieger erzählte später auch, was Bolt zu ihm gesagt hatte: «Usain sagte ‹Gratulation, du verdienst es.› Das war echt von ihm, er weiss, wie hart ich arbeite.»
Vom oft hochgespielten Duell zwischen Gut und Böse hält der neue Weltmeister nichts. «Wir sind Rivalen auf der Bahn», erzählte er, «aber beim Aufwärmen haben wir immer unsere Witze gemacht und hatten eine gute Zeit.» Und Gatlin fügte an: «Das war ein magischer Abend für Usain Bolt. Ich habe ihn immer respektiert, und wir haben uns nie gehasst.» Bolt seinerseits anerkannte die Leistungen seiner Bezwinger: «Die beiden waren heute besser als ich.»