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Sophie Hunger: «Ich bin nirgendwo richtig daheim»
ZÜRICH. Sie ist zurück: Auf ihrem neuen Album erzählt Sophie Hunger vom Scheitern und dem Neuzusammensetzen ihres Lebensentwurfs.
Sophie, dein neues Album ist ungewohnt persönlich. Was ist passiert? Der Produktion ging eine Trennung voraus. Es war eine zerbrechliche Zeit. Einige der Lieder haben ihren Ursprung in diesen Gefühlen. Wie geht es dir heute? Ich bin froh, dass ich wieder spielen kann und gerade viel los ist. Ich habe eine Rolle in der Welt, bin Teil einer Gruppe – das ist sehr hilfreich. Du lebst seit Jahren in Berlin. Fühlst du dich dort zu Hause? Ich habe ein Studio in Berlin, aber auch ein Zimmer in Paris und eins in Zürich – ich bin nirgends so richtig daheim. Es ist alles ein provisorisches Konstrukt. Was magst du an Berlin? Dass man dort ungestört scheitern darf. Berlin ist einer der wenigen Orte in Europa, der Widerstand leistet gegen das Diktat der Effizienz. Man hat nicht gleich Schuldgefühle, wenn man einen Nachmittag lang mal nichts leistet. Wie nimmst du die Schweiz von Berlin aus wahr? Mir fällt auf, wie fragil die Schweiz ist, dieses kleine Land. Und wie sehr wir auf andere angewiesen sind und das partout nicht wahrhaben wollen. Das musst du ausführen. Wir haben das Gefühl, wir könnten alles allein machen und haben so eine kuriose Schadenfreude, wenn es der EU schlecht geht. Was ist das? Arroganz? Naivität? Ich fände es gut, wir würden der EU beitreten, damit wir was zu sagen haben, anstatt nur die Kohle rüberwachsen zu lassen. Siehst du dich als politische Künstlerin? Nein, ich will mit meinen Songs vielmehr eine Welt erschaffen, die es gar nicht gibt. Ich erfinde etwas, in dem ich mich wohler fühle als im Echten. Es geht um die Möglichkeit zur Flucht. Das ist mein Job, denke ich. Hast du immer noch Bock auf deine Arbeit? Auf eine kindische Art hintersinne ich sie manchmal. Aber gleichzeitig weiss ich genau, dass ich nichts besser könnte. Es gibt keine alternative Rolle für mich.
Am Freitag erscheint «Molecules», das sechste Album von Sophie Hunger. M. LAHANA