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«Kampagnen haben auf das Verhalten keine Wirkung»

ZÜRICH. Der Raucherant­eil bleibt hoch, jener der Übergewich­tigen steigt. Ein Experte sagt, wie das zu ändern wäre.

- STEFAN EHRBAR

Herr Hafen, viele Schweizer rauchen oder sind übergewich­tig. Trotz Kampagnen ändern sie ihr Verhalten nicht. Wieso?

Kampagnen haben auf individuel­les Verhalten keine nachweisba­re Wirkung. Lebensstil­e sind stabil. Sie mit kommunikat­iven Massnahmen verändern zu wollen, ist nutzlos.

Wie kann man Übergewich­t und Rauchen beikommen?

Mit einer Änderung der Rah menbedingu­ngen. In der Schweiz gibt es sehr viele Raucher. Der Grund: Wir haben eines der laschesten Tabakgeset­ze. Veränderun gg äbe es nur, wenn die Preise steigen und die Verfügbark­eit sinken würde. Dasselbe bei der Ernährung: Ampelsyste­me oder Zuckersteu­er bringen viel, stossen aber auf Widerstand.

Ein gesunder Lebensstil wird immer wichtiger. Trotzdem sind 42 Prozent übergewich­tig.

Vor 100 Jahren konsumiert­e ein Durchschni­ttsbürger ein Kilo Zucker pro Jahr. Heute sind es 50. Viel versteckte­r Zucker steckt vor allem in verarbeite­ten Nahrungsmi­tteln.

Dass diese ungesund sind, ist bekannt. Wo bleibt die Eigenveran­twortung?

Die Stressbela­stung hat enorm zugenommen. Die Hälfte der Schüler zwischen 12 und 16 Jahren gibt an, regelmässi­g gestresst zu sein. Stress erfordert Bewältigun­gsmöglichk­eiten – wie Rauchen oder Essen.

Was könnte man konkret tun?

Beispiel Übergewich­t: Man kann Kinder in Bewegungs programme schicken. Sinnvoller wäre es, Quartierst­rassen verkehrsfr­ei zu machen, damit sie sich automatisc­h mehr bewegen. Gäbe es im Supermarkt Äpfel statt Schoggi an der Kasse, wäre das auch wirksam.

Wieso wird das nicht getan?

Betriebswi­rtschaftli­ch ergibt es weniger Sinn. Massnahmen für die öffentlich­e Gesundheit haben es politisch zurzeit schwer. Wir müssen aufpassen, dass unser Gesundheit­sStreben nicht zur quasirelig­iösen Ideologie verkommt. Martin Hafen ist Professor an der Hochschule Luzern und Experte für Prävention.

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