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Rekrut Lüssi (62): «Krawatten binden kann niemand mehr»
PAYERNE. Vor 40 Jahren machte Robert Lüssi seine RS. Jetzt absolviert er sie erneut, um Vorschläge zur Verbesserung abzugeben.
Der ehemalige Milizoberst Robert Lüssi ist 62 Jahre alt und wird in der Fliegerschule in Payerne trotzdem von allen nur als «Rekrut Lüssi» angesprochen. Vor sechs Wochen trat er dort erneut in die RS ein. «Ich wollte mit eigenen Augen sehen, was sich in den letzten 40 Jahren verändert hat – im Guten wie im Schlechten», sagt Lüssi. Am Ende der Feldstudie in der RS wird er dem Chef Kommando Operationen einen Bericht mit Verbesserungsvorschlägen abgeben. Sonderbehandlungen gebe es für ihn aber nicht, betont er. «Ich gehöre zur Truppe, übernachte in der gleichen Unterkunft und erhalte die gleiche Verpflegung.» Der Altersunterschied sei bis jetzt nie ein Problem gewesen, die Rekruten hätten ihn super aufgenommen. «Im Zug nach der ersten Woche wurde ich aber von Rekruten einer anderen Kompanie gefragt, ob ich nicht meine Gradabzeichen verloren hätte», so Lüssi lachend.
Einen ersten Vergleich zur RS im Sommer 1976 konnte der in Winterthur aufgewachsene Lüssi schon ziehen. «Es ist noch immer so, dass die RS die letzte grössere Erziehungsphase des Lebens ist. Wer es hier nicht lernt, lernt es nimmermehr.» Von den jungen Männern und Frauen spricht er in den höchsten Tönen: «Disziplin, Kameradschaft und Hilfsbereitschaft werden immer noch grossgeschrieben – egal, welcher Hautfarbe oder Religion jemand angehört.» Positiv bewertet er die Digitalisierung: «Früher gabs eine Schlange vor der Telefonkabine, heute gibts in jeder RS einen Gruppenchat.»
Lüssi übt auch Kritik. So sei die Kenntnis der Landessprachen früher deutlich besser gewesen und viele Rekruten würden Lese- und Schreibschwächen an den Tag legen. «Und Krawatten binden kann heute auch fast niemand mehr.»