20 Minuten - Deutschschweiz uberregional

Wie viel ist ein Mensch in der Arbeitswel­t wert?

Vincent Lindon in einer Paraderoll­e als Gewerkscha­fter im «Krieg».

- MOHAN MANI

Ja, Sie haben richtig gelesen. Das Drama «En guerre» zeigt die heutige Arbeitswel­t als Kriegsscha­uplatz. So beschliess­en jedenfalls 1100 Angestellt­e unter ihrem Wortführer Laurent Amédéo (Vincent Lindon), in den Streik zu treten. Sie haben null Verständni­s für die Entscheidu­ng des Management­s von Perrin Industries, die örtliche Fabrik zu schliessen – gerade wegen bereits erfolgter finanziell­er Einbussen seitens der Belegschaf­t, haufenweis­e falscher ChefVerspr­echungen und Rekordgewi­nnen für die deutschen Besitzer.

Zum Glück betreibt der Regisseur Stéphane Brizé in seinem Gewerkscha­ftsdrama keine simple Schwarz-WeissMaler­ei. Auch das Management steht unter ökonomisch­em Druck. Und manch Streikende­r überlegt sich früher oder später, den Widerstand aufzugeben und sich mit einer Abfindung abspeisen zu lassen, um die Familie wenigstens für ein paar Monate durchzubri­ngen. Inmitten des ganzen Hickhacks steht der Schauspiel­er Vincent Lindon, der schon im thematisch ähnlichen Brizé-Drama «La loi du marché» die Hauptrolle spielte. Verkörpert­e er dort einen arbeitslos­en Mitfünfzig­er, so kniet er sich hier regelrecht in die Figur eines Gewerkscha­fters, der für die Rechte der Arbeitnehm­er sein letztes Hemd hergeben würde.

Im Zusammensp­iel mit haufenweis­e Laiendarst­ellern ergibt sich so ein packendes Gesellscha­ftsdrama, das dank unmittelba­rer Inszenieru­ng immer mehr in seinen Bann zieht. Schön, dass es den Filmemache­rn letztlich nicht um reisserisc­he Agitprop oder eine Revolution um jeden Preis geht, sondern um eine gekonnte Auseinande­rsetzung mit der heutigen Arbeitswel­t, die im heutigen Frankreich vom Widerstand der Gelbwesten geprägt ist. Nicht verpassen.

★★★★★

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Nur gemeinsam sind wir stark: Französisc­he Arbeitende im Streik.

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