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«China überwacht mich auch hier»

ZÜRICH. China steht wegen Umerziehun­gslagern in der Kritik. Die Uigurin Rizwana Ilham lebt in der Schweiz und hat Angst.

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ZÜRICH. Rizwana Ilham ist mit zwölf Jahren mit ihrer Familie in die Schweiz geflüchtet. Die Uigurin prangert die Situation in den chinesisch­en Internieru­ngslagern an, in denen eine Million Menschen «umerzogen» werden sollen. Laut geleakten

«Wenn ich an meine Heimat denke, dann spüre ich die Angst.»

Rizwana Ilham (30)

Geheimdoku­menten werden darin Uiguren einer Gehirnwäsc­he unterzogen und gefoltert. Ilham kennt solche Fälle von Menschenre­chtsverlet­zungen. Sie geht davon aus, dass China sie sogar in der Schweiz überwacht. Die chinesisch­e Vertretung in Bern dementiert die Berichte über die Lager vehement und spricht von Verleumdun­g.

« Mit zwölf kam ich in die Schweiz. Meine Eltern erkannten vor 20 Jahren, dass ich in Ostturkest­an keine Zukunft haben werde. Sie waren schon immer politisch aktiv und wollten, dass ich frei aufwachse. In den Augen des chinesisch­en Staats sind wir wegen der Flucht Kriminelle.

Der Ehemann meiner Cousine war ein Jahr in einem Umerziehun­gslager. Jeder Uigure, der im Ausland ist, hat mindestens einen Verwandten, der im Lager ist. Viele sind verschwund­en, viele kommen aus den Lagern nicht mehr zurück. Ob auch meine Cousine drin war, weiss ich nicht. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihr, denn sie hat Angst.

In den Lagern gibt es Gehirnwäsc­he. Laut NGOs werden Uiguren gezwungen, Schweinefl­eisch zu essen und Alkohol zu trinken. Die chinesisch­e Regierung will, dass die Uiguren als Nation ihre Identität verlieren. Das Schlimmste ist, dass die Kommunisti­sche Partei behauptet, wir seien alle Terroriste­n, und uns auf unseren muslimisch­en Glauben reduziert. Wir Uiguren haben eine sehr ausgeprägt­e

Kultur und sind stolz darauf. Wir haben eine andere Schrift, eine andere Sprache und unterschei­den uns auch im Aussehen von den Chinesen.

China hat Milliarden für sein Überwachun­gssystem ausgegeben. Xinjiang hat wohl die umfassends­te und innovativs­te Technik der Welt, alle hundert Meter hat es eine Kamera, und alle Uiguren werden fotografie­rt. Das heisst auch: Sobald man ins Ausland geht, wird man wiedererka­nnt. Ich habe auch das Gefühl, dass die chinesisch­e Regierung mich überwacht, vor allem jetzt, da ich öffentlich darüber rede. Ich würde sehr gern wieder WeChat installier­en, denn nur so kann ich mit meinen Verwandten im Heimatland Kontakt aufnehmen. Aber das werde ich nicht mehr machen. Auch Tiktok werde ich nie downloaden.

Ich empfinde keinen Hass gegenüber China. Ich habe einfach ein Gefühl von Machtlosig­keit und Unverständ­nis. Wie können Menschen andere so behandeln?

Das kann ich nicht begreifen.

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JAN KELLENBERG­ER Die Uigurin Rizwana Ilham ist als Kind in die Schweiz geflüchtet.
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JAN KELLENBERG­ER Die Uigurin Rizwana Ilham kam mit zwölf Jahren in die Schweiz.
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In China sollen laut China Cables über eine Million Menschen in Lagern inhaftiert sein. Video: Sehen Sie das ganze Video mit Rizwana Ilham heute Abend auf 20minuten.ch

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