20 Minuten - Deutschschweiz uberregional
Gibt es Krieg zwischen Assad und Erdogan?
DAMASKUS. Im syrischen Idlib stehen sich türkische und syrische Truppen gegenüber.
Nachdem seine Soldaten in der syrischen Provinz Idlib angegriffen worden sind, droht der türkische Präsident Erdogan syrischen Regimetruppen mit Vergeltungsschlägen «überall» im Land. Eine De-facto-Kriegserklärung? «Es besteht ein hohes Risiko einer weiteren unbeabsichtigten Eskalation zwischen Ankara und Damaskus – und damit auch zwischen Ankara und Moskau», sagt Syrienexpertin Muriel Asseburg.
Eigentlich hatten sich die Türkei und Russland 2018 auf ein Abkommen geeinigt: Ankara als Garantiemacht für Idlib überwacht mit Beobachtungsposten eine Waffenruhe zwischen Regierung und Rebellen. Dafür entwaffnet die Türkei die Rebellen, allen voran die Jihadistenmiliz Hayat Tahrir alScham (HTS), die die Provinz mit 10000 Mann kontrolliert. Dies sei nicht geschehen, monierte Russland daraufhin, und liess Assad seine Offensive auf Idlib fortsetzen.
Vor den anrückenden Regimetruppen sind jetzt Hunderttausende auf der Flucht. Die Türkei hat bereits 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen und ihre Grenzen geschlossen. So geraten Zivilisten zwischen die Fronten, auf immer kleiner werdendem Raum. Asseburg: «Viele fliehen zum wiederholten Male aus umkämpften Gegenden, haben aber nur noch wenig Möglichkeiten, wohin sie fliehen können, um den Bombardierungen, Plünderungen und Vergeltungsmassnahmen der vorrückenden syrischen Armee zu entkommen.» Seit Dezember sind laut UNO 700 000 Syrer im Nordwesten auf der Flucht.
Ein Ultimatum der Türkei erhöht den Druck: Assad solle seine Truppen bis Ende Februar wieder hinter die türkischen Beobachtungsposten in Idlib zurückziehen, sonst werde das die türkische Armee tun. «Der Ausweg aus der derzeitigen Eskalation», so Asseburg, «dürfte eine temporäre Einigung zwischen Ankara und Moskau sein: Das Regime weitet seine Kontrolle über die wichtigen Transitrouten aus, verzichtet aber zunächst darauf, ganz bis an die Grenze vorzudringen.» So würde vorübergehend ein
Gebiet unter Kontrolle der Rebellen verbleiben und Flüchtlinge würden nicht bis an die türkische Grenze drängen. Auch das Problem, wie mit den radikalen Rebellen umgegangen werden soll, würde «zunächst vertagt».