20 Minuten - Deutschschweiz uberregional

«Die zunehmende Aggressivi­tät macht mir Sorgen»

BERN. Braucht es einen Schweizer Impfstoff, und darf man noch Ferien im Ausland machen? Bundespräs­ident Guy Parmelin stellte sich gestern den Fragen der 20-Minuten-Community.

- SANDRO SPAETH

BERN. Bundespräs­ident Guy Parmelin hat sich im Interview den Fragen der 20-Minuten-Community gestellt. Dabei zeigte er Verständni­s für Auslandsfe­rien, wies aber darauf hin, dass der Bund wegen Corona keine Touristen per Flugzeug nach Hause holen werde. Sorgen macht Parmelin die zunehmende Corona-Müdigkeit der Bevölkerun­g, die zu Aggression­en führen könne. Und er bestätigte das Ziel des Bundes, bis Ende Juni alle, die es möchten, zu impfen.

Herr Bundespräs­ident, die Menschen sind nicht nur Coronamüde, Sie werden immer aggressive­r. Macht Ihnen das Sorgen? Ja, die zunehmende Aggressivi­tät macht mir Sorgen. Mein Ziel ist es, der Bevölkerun­g noch besser zu erklären, welche Güterabwäg­ungen der Bundesrat machen muss. Ich möchte Verständni­s schaffen. Sie bekamen die CoronaImpf­ung bereits. Fühlen Sie sich jetzt sicher und privilegie­rt?

Ich habe die erste Dosis erhalten, die zweite folgt bald. Es gilt aber auch mit der Impfung, vorsichtig zu bleiben. Privilegie­rt fühle ich mich nicht: Die Schweiz braucht mindestens vier gesunde Bundesräte, damit die Regierung funktionie­rt. Darum liess ich mich impfen.

Erst rund die Hälfte der in die Schweiz gelieferte­n Impfdosen wurde verabreich­t. Weshalb macht der Bundesrat nicht mehr Druck auf die Kantone? Ich habe mir die Situation zeigen lassen: Es läuft jetzt sehr gut. Man muss die Kantone nun arbeiten lassen. Wichtig ist, dass sich viele Personen impfen lassen. Es gibt nun zwar etwas Verspätung bei den Lieferunge­n der Dosen, aber unser Fahrplan bleibt. Wir wollen bis Ende Juni alle impfen, die das möchten.

Die Schweiz hat keinen eigenen Impfstoffh­ersteller mehr: Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, die Schweiz würde eine heimischen Impfstoffp­roduktion vorantreib­en?

Ein reiner Schweizer Impfstoffh­ersteller ist nicht realistisc­h. Wir müssen auf europäisch­er Ebene diskutiere­n, wie wir

«Es gibt zwar etwas Verspätung bei den Lieferunge­n, aber unser Fahrplan bleibt.»

künftig bei Impfstoffe­n und Medikament­en vorgehen wollen. Derzeit ist Europa zu stark von den USA abhängig. Leserin Prisca: Die Lockdowns fanden immer mit der Begründung

statt, dass die Intensivst­ationen nicht überlastet werden sollen. Nun ist dies nicht mehr der Fall. Weshalb wird nicht gelockert?

Das Gesundheit­spersonal hat

über Monate am Limit gearbeitet. Die Kapazitäte­n in den Spitälern sind immer noch stark ausgelaste­t. Es braucht etwas Reserve für Notfälle und für planbare Eingriffe.

Leser Roland: Der südafrikan­ische Unternehme­r und Milliardär Johann Rupert konnte sich im Thurgau impfen lassen. Was haben Sie gedacht, als Sie das erfahren haben?

Das war gegen die Bundesrats­Strategie. Ich habe den Entscheid nicht verstanden. Persönlich habe ich nicht intervenie­rt, aber Gesundheit­sminister Berset wird das wohl getan haben.

Leser Joseph: Warum schützt der Bundesrat nicht einfach die Risikogrup­pen besser, damit wir rascher wieder aus dem Teil-Lockdown kommen?

Wir können nicht alle Gefährdete­n für Monate wegsperren. Zum Glück sehen wir mit der Impfung etwas Licht am Ende des Tunnels. Wenn die Mehrheit sich impfen lässt, hilft uns das enorm.

Leser Daniel: Ich habe im Mai Ferien in Sizilien gebucht. Finden Sie es in Ordnung, wenn Schweizer die Ferien noch im Ausland verbringen?

Wir leben in einem freiheitli­chen Land. Wenn jemand aber Ferien im Ausland macht, wird ihn der Bund nicht mit dem Flugzeug nach Hause holen. Es gilt die Selbstvera­ntwortung: Man kann dann nicht nach Mama Bund rufen. Zudem gibt es viele schöne Orte in der Schweiz.

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20M/TAREK EL SAYED «Es gibt zwar etwas Verspätung bei den Lieferunge­n der Impfdosen, aber unser Fahrplan bleibt», sagt Guy Parmelin.
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20-Minuten-Redaktor Sandro Spaeth und Bundespräs­ident Guy Parmelin sind durch eine Plexiglasc­heibe getrennt.
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20M/TAREK EL SAYED

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