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Mit 18 Jahren fand Ken seine Mutter tot auf

SCHAFFHAUS­EN. Ken Schmitt war 18, als er seine heroinabhä­ngige Mutter tot zu Hause auffand. Der 29-Jährige erinnert sich an seine Kindheit.

- SIMONA RITTER

«Ich bin mit einer heroinabhä­ngigen Mutter gross geworden. Sie konsumiert­e oft mit meiner zehn Jahre älteren Schwester zusammen. Als Bub schickte sie mich zu ihren Kunden, denen ich eine CD-Hülle mit dem Stoff übergab. Manchmal gingen wir zusammen in die Migros, um Lebensmitt­el zu klauen, die dann in meinem Schulthek landeten. Es war meine Normalität, und ich freute mich einfach, mit meiner Mutter Zeit zu verbringen. Freunde nach Hause zu nehmen getraute ich mich nicht. Wenn ich nach der Schule nach Hause kam, kam es öfter vor, dass meine Mutter zugedröhnt am Küchenbode­n lag und ich ihr die Spritze aus dem Arm zog. Während andere Kinder mit ihren Familien Weihnachte­n feierten, sass ich allein zu Hause. Meine Mutter war Sozialhilf­eempfänger­in – warum die Behörden nie eingeschri­tten sind, ist mir bis heute nicht klar.

Dann kam der Tag, an dem meine Welt zusammenbr­ach.

Ich war 18, als ich meine Mutter tot in der Wohnung fand. Ein Drogenkund­e hatte sie erstochen. Ich schrie.

Ich hatte keine Familie mehr, keine Lehrstelle, kein Geld. Von den Behörden wurde ich als Sozialfall eingestuft und auch so behandelt. Zum Essen schickten sie mich in die Gassenküch­e – zu jenen Leuten, die mit meiner Mutter Drogen konsumiert­en. Drei Monate später bin ich zusammenge­brochen. Ich stand vor der Wahl: Entweder nehme ich mir das Leben, oder ich lasse mich in eine Klinik einliefern. Das war mein Rettungsan­ker. Ich schloss erfolgreic­h eine Verkäuferl­ehre in einem Zürcher Skateshop ab. Das Rollbrettf­ahren gibt mir Halt. Wenn ich den Teer unter mir spüre, kann

ich von meinen Problemen abschalten. Noch immer habe ich manchmal Angstzustä­nde. Aber es geht mir heute viel besser als noch vor einigen Jahren. Und ich kämpfe weiter, um endlich ein normales Leben in Frieden führen zu können.»

«Ich habe manchmal noch immer Angstzustä­nde, aber es geht mir heute viel besser.»

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FOTOS: 20M/SIMONA RITTER Ken Schmitt musste sich ein normales Leben erkämpfen. Doch manche Wunden bleiben wohl für immer.
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Ken als Kleinkind mit seiner Mutter. Video: Ken Schmitt erzählt auf 20min.ch über seine Jugend.

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