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Impfstoff-Debakel: Handelt BAG politisch?

ZÜRICH. Impfaltern­ativen aus Russland und China sind in der Schweiz kein Thema. Kritiker sagen, das sei nicht wissenscha­ftlich.

- DANIEL GRAF/DANIEL WALDMEIER

BERN. Ungarn hat ihn, Österreich will ihn, Deutschlan­d diskutiert ihn: Der russische Impfstoff Sputnik V wird zum Exportschl­ager. In der Schweiz ist er kein Thema. Auch die chinesisch­en

Vakzine nicht – trotz Impfstoffm­angel und Shutdown. Dafür gibts nun harte Kritik: Experten und Politiker sprechen von einem «geopolitis­chen» und «ideologisc­hen Entscheid» des BAG.

Ungarn hat Sputnik V neu zugelassen, Deutschlan­d sucht nach Produktion­skapazität­en, und Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz sagte, er würde sich sofort mit Sputnik V oder chinesisch­en Vakzinen wie Sinovac oder Sinopharm impfen lassen: «Es geht einzig um Wirksamkei­t, Sicherheit und um Verfügbark­eit, nicht um geopolitis­che Kämpfe.» Für Manfred Kopf, ETH-Immunologe

in der wissenscha­ftlichen Covid-Taskforce des Bundes, wurde der russische Impfstoff «in Europa und in der Schweiz wohl zu Unrecht ignoriert». Zwar habe das BAG eine erste Kaufentsch­eidung treffen müssen, bevor die Wirksamkei­tsstudien abgeschlos­sen waren. Aber: Das war bei AstraZenec­a gleich – und davon bestellte die Schweiz im Oktober 5,3 Millionen Dosen (siehe Vergleich rechts). «Man hätte zu diesem Zeitpunkt dem britischen und russischen Impfstoff zumindest die gleichen Chancen einräumen müssen», so Kopf.

Für ihn ist klar, dass die Schweiz und die EU der russischen Regierung nicht vertrauten: «Bei der Impfstoffb­eschaffung spielen geopolitis­che Überlegung­en mit.» GLP-Nationalra­t Martin Bäumle spricht von einem ideologisc­hen Entscheid: «Zu viele Verantwort­liche haben Russland gegenüber immer noch ein Brett vor dem Kopf.» Fabian

Molina (SP) nimmt das BAG in Schutz, findet aber: «Wenn es einen guten Impfstoff gibt, ist es egal, woher er kommt.»

Sputnik V wird derzeit nicht von Swissmedic geprüft, weil kein Gesuch eingereich­t wurde. Ob es derzeit Gespräche mit chinesisch­en oder russischen Hersteller­n gibt, sagt das BAG «aus verhandlun­gstaktisch­en Gründen» nicht. Das Potenzial werde nach verschiede­nen Kriterien gesamtheit­lich beurteilt. Eine Rolle spiele etwa die Fähigkeit, grössere Mengen Impfstoff von hoher Qualität herzustell­en. Politische Kriterien nennt das BAG nicht.

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REUITERS Massenimpf­ung mit dem russischen Sputnik-V-Impfstoff auf dem Basketball­feld im Stadion des Fussballcl­ubs River Plate in Buenos Aires in Argentinie­n.
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