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Impfstoff-Debakel: Handelt BAG politisch?
ZÜRICH. Impfalternativen aus Russland und China sind in der Schweiz kein Thema. Kritiker sagen, das sei nicht wissenschaftlich.
BERN. Ungarn hat ihn, Österreich will ihn, Deutschland diskutiert ihn: Der russische Impfstoff Sputnik V wird zum Exportschlager. In der Schweiz ist er kein Thema. Auch die chinesischen
Vakzine nicht – trotz Impfstoffmangel und Shutdown. Dafür gibts nun harte Kritik: Experten und Politiker sprechen von einem «geopolitischen» und «ideologischen Entscheid» des BAG.
Ungarn hat Sputnik V neu zugelassen, Deutschland sucht nach Produktionskapazitäten, und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte, er würde sich sofort mit Sputnik V oder chinesischen Vakzinen wie Sinovac oder Sinopharm impfen lassen: «Es geht einzig um Wirksamkeit, Sicherheit und um Verfügbarkeit, nicht um geopolitische Kämpfe.» Für Manfred Kopf, ETH-Immunologe
in der wissenschaftlichen Covid-Taskforce des Bundes, wurde der russische Impfstoff «in Europa und in der Schweiz wohl zu Unrecht ignoriert». Zwar habe das BAG eine erste Kaufentscheidung treffen müssen, bevor die Wirksamkeitsstudien abgeschlossen waren. Aber: Das war bei AstraZeneca gleich – und davon bestellte die Schweiz im Oktober 5,3 Millionen Dosen (siehe Vergleich rechts). «Man hätte zu diesem Zeitpunkt dem britischen und russischen Impfstoff zumindest die gleichen Chancen einräumen müssen», so Kopf.
Für ihn ist klar, dass die Schweiz und die EU der russischen Regierung nicht vertrauten: «Bei der Impfstoffbeschaffung spielen geopolitische Überlegungen mit.» GLP-Nationalrat Martin Bäumle spricht von einem ideologischen Entscheid: «Zu viele Verantwortliche haben Russland gegenüber immer noch ein Brett vor dem Kopf.» Fabian
Molina (SP) nimmt das BAG in Schutz, findet aber: «Wenn es einen guten Impfstoff gibt, ist es egal, woher er kommt.»
Sputnik V wird derzeit nicht von Swissmedic geprüft, weil kein Gesuch eingereicht wurde. Ob es derzeit Gespräche mit chinesischen oder russischen Herstellern gibt, sagt das BAG «aus verhandlungstaktischen Gründen» nicht. Das Potenzial werde nach verschiedenen Kriterien gesamtheitlich beurteilt. Eine Rolle spiele etwa die Fähigkeit, grössere Mengen Impfstoff von hoher Qualität herzustellen. Politische Kriterien nennt das BAG nicht.