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Belarus: Wird Hersche heute freigesprochen?
MINSK. Natalie Hersche ist in Belarus inhaftiert. Ihr Bruder hofft auf das Berufungsverfahren, das heute stattfinden soll.
Seit Monaten sitzt die Ost schweizerin in Minsk im Gefängnis: Dies chweizeri schweiss russische Doppel bürgerin verbüsst eine 2,5-jährige Haftstrafe, weil sie bei einer Demo am 19. September 2020 einen Polizisten verletzt haben soll. Für ihren Bruder Kasjan Gennadi ist klar, dass seine Schwester eine politische Gefangene ist, die der willkürlichen Gewalt von Staatschef Lukaschenko zum Opfer gefallen ist. Gennadi lebt in Minsk und steht in engem Kontakt mit Natalie. Rund alle zehn Tage erhalte er einen Brief, in dem sie von ihrem Leben hinter Gittern berichte: «Es geht ihr den Umständen entsprechend gut, und das Gefängnis sei nicht allzu schlimm.»
«Meine Schwester ist sehr optimistisch», so der Weissrusse weiter. Beide hoffen, dass die Ostschweizerin vom Gericht heute freigesprochen wird. Doch sollte das Urteil bestätigt werden, ist für ihn klar: «Wir gehen bis vors höchste Gericht, wenn es sein muss. Meine Schwester muss freikommen.» Gennadi wird heute den Prozess direkt im Gerichtssaal mitverfolgen – Hersche nicht. «Es wird angenommen, dass die Anwesenheit der Beschuldigten bei der Verhandlung nicht notwendig ist.» In Belarus sei dies bei Berufungsverfahren leider üblich, so Gennadi.
Das letzte Mal gesehen habe Gennadi seine Schwester im Dezember, als er sie im Gefängnis besuchen konnte. Diese Treffen müssten jeweils einzeln beantragt werden. Gennadi: «Ohne Erlaubnis vom Staat geht nichts.» Nur Anwälte und der Schweizer Botschafter dürften regelmässig zu der Gefangenen. Unterstützt wird Hersche nicht nur von ihrer Familie, sondern auch von der Politik. Über 80 Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier forderten letzte Woche in einem offenen Brief an den weissrussischen Aussenminister Wladimir Makei ihre Freilassung. Und Lars Bünger, Präsident der Menschenrechtsorganisation Libereco, hofft, dass die öffentliche Aufmerksamkeit den Druck auf das Regime erhöht: «Die Chance, dass es zum Freispruch kommt, liegt wohl bei 50/50.»