«Sie werden Schweizer Tugenden wie Pünktlichkeit übernehmen»
Herr Gees, immer mehr Menschen in der Schweiz haben einen Migrationshintergrund. Warum?
Da es uns wirtschaftlich vergleichsweise gut geht, kommen auch mehr Menschen in die Schweiz.
Lebten in der Schweiz schon einmal so viele Menschen mit Migrationshintergrund?
Fast, während der Südmigration von Italienern, Spaniern und Portugiesen in den 1960ern. Auch vor dem Ersten Weltkrieg lag der Ausländeranteil bei knapp 20 Prozent.
Was ist heute anders?
Mit dem einfacheren Familiennachzug haben wir erstmals viele Kinder mit Migrationshintergrund in den Schulen. Seit Mitte der 90er-Jahre ist auch die Zuwanderung aus nicht christlichen Ländern mit uns teilweise fremden Wertvorstellungen dazugekommen. Und neu ist auch eine starke Zuwanderung von Hochqualifizierten.
Ist eine erfolgreiche Integration unter diesen Umständen überhaupt möglich?
Ja, aber was nicht mehr geht, ist das 50er-Jahre-Konzept der Assimilation à la «Schweizermacher». Das Lieblingsessen der Kinder der Zugewanderten muss nicht Rösti sein. Schweizer Tugenden wie Pünktlichkeit und Sparsamkeit werden sie aber übernehmen.
Wenn es so weitergeht, wird sich doch kaum jemand mehr für Schweizer Traditionen interessieren.
Ich denke, da kann man nicht den Einwanderern die Schuld geben. Brauchtum und Identität sind eher als Gegenangebot zur Globalisierung zu sehen.