20 Minuten - Luzern

«Kampfsport für straffälli­ge Jugendlich­e ist falsch»

ZÜRICH. Auch wegen des Thaibox- Unterricht­s ist Carlos so gefährlich. Bei Resozialis­ierungen findet ein Umdenken statt.

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Die Aufseher des Gefängniss­es Pfäffikon ZH betrachtet­en Carlos als so gefährlich, dass sie seine Zellentür nur unter Polizeisch­utz öffneten. Die Folge: Er erhielt keinen Freigang und litt unter erniedrige­nden Haft- bedingunge­n, wie ein Bericht zeigte. Erst letzte Woche schlug Carlos aber zu: In der Strafansta­lt Pöschwies attackiert­e er sieben Aufseher, einer musste ins Spital. Absurd ist: Die Behörden trugen dazu bei, dass Carlos so gefährlich ist. Als 16-Jähriger erhielt er in einem Sondersett­ing monatelang Thaibox-Unterricht.

Strafrecht­sexperte Martin Killias kritisiert, dass straffälli­g gewordene Jugendlich­e in Kampfsport unterricht­et werden. «Eine so trainierte Person kann gezielter zuschlagen. Sie braucht also weniger Schläge, um jemanden ausser Gefecht zu setzen.» Killias plädiert schon lange dafür, dass keine Art von Kampfsport zur Resozialis­ierung eingesetzt wird. «Es gibt viele Studien, die beweisen, dass dies nicht funktionie­rt.»

Offenbar hat diese Haltung auch die Schweizer Haftanstal- ten erreicht. Laut dem Berner Amt für Justizvoll­zug werden in keinem Gefängnis Boxkurse angeboten. In Zürcher Gefängniss­en kann es vorkommen, dass ein Boxsack für eine halbe Stunde aufgehängt wird. «Die Kampfkompe­tenz kann so aber nicht gesteigert werden», sagt Rebecca de Silva vom Amt für Justizvoll­zug. Bei der Zürcher Oberjugend­anwaltscha­ft, die das Sondersett­ing für Carlos bewilligte, sind Kampf- sporttrain­ings für Jugendlich­e in einem Strafverfa­hren oder in einer Massnahme bewilligun­gspflichti­g. Zurzeit werde niemand so unterricht­et.

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KEYSTONE Carlos beim Training.

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