20 Minuten - Luzern

«Deutsche Flüchtling­spolitik hat Sicherheit dramatisch verschlech­tert»

- ANN GUENTER

geschickt wurde.

Sie gehen von einem direkten Befehl von Syrien aus?

Zumindest gibt es bei fast allen Anschlägen in Europa seit 2014 einen direkten Kontakt zum IS, meist über verschlüss­elte Programme wie Telegram.

Was weiss man über die Befehlsgeb­er in Syrien und im Irak?

Diese Personen gehören regelrecht­en Einheiten des IS an, die sich um die Herstellun­g von Kontakten kümmern und dafür sorgen, dass die IS-Leute in Europa trotz fehlender militärisc­her Ausbildung an- geleitet werden, einen Anschlag zu verüben.

Wie kommt man im IS-Gebiet an sie heran?

Es gibt zumindest in Deutschlan­d eine ganze Reihe von Gerichtsve­rfahren, in denen Verbindung­en zwischen vermeintli­chen Attentäter­n und Hintermänn­ern eine wichtige Rolle spielen. Bei diesen Ermittlung­en kursieren mehrere Namen. Ihre Träger haben eines gemeinsam: Sie sind fast alle tot. In den meisten Fällen kommt man den Hintermänn­ern auf die Spur.

Wie sind die IS-Zellen in Europa organisier­t?

Es gibt unterschie­dliche Formen. Die gefährlich­ste Gruppe: jene Kämpfer, die während der Flüchtling­skrise 2015 mit grob skizzierte­n Aufträgen nach Mit- teleuropa geschickt wurden. Sie kommunizie­ren mit Syrien und zum Teil auch mit Leuten in Europa, mit denen sie zusammen aus Syrien bzw. aus dem Irak losgeschic­kt wurden. Zu dieser Gruppe gehören klassische Rückkehrer wie die Pariser Attentäter, aber auch Iraker und Syrer, die zuvor nie in Europa waren.

Falsche Flüchtling­e, echte Terroriste­n also?

Genau. Diese Gruppe ist für die anspruchsv­ollen, grossen Anschläge verantwort­lich wie jene in Paris und Brüssel. Auch in Deutschlan­d soll es ähnliche Planungen gegeben haben. Es ist klar:

Diese Gruppe ist besonders dort eine Gefahr, wo es viele Flüchtling­e aus Syrien, dem Irak und Afghanista­n gibt. Seit 2015 war das vor allem Deutschlan­d.

Welche Zellen gibt es sonst noch?

Die Hiergeblie­benen. Diese Gruppe war nie in Syrien oder im Irak und wird gezielt durch die Social-Media-Teams des IS in Europa rekrutiert. Unter ihnen finden sich auch echte Flüchtling­e, die der IS für seine Sache begeistert. Der Kontakt zum IS ist zum Teil sehr eng, auch weil unsere Behörden personell, rechtlich und technisch nicht in der Lage sind, verschlüss­elte Kommunikat­ion zu knacken. Bei der dritten Gruppe besteht gar keine Verbindung zum IS. Die sogenannte­n einsamen Wölfe handeln von sich aus und kommen tatsächlic­h nur sehr selten vor, obwohl unsere Behörden immer vor ihnen warnen.

Der IS benutzt Flüchtling­e und Flüchtling­srouten systematis­ch für seine Anschlagsp­läne – ein Umstand, der Europol noch Anfang Jahr in einem Bericht bestritt.

Es sind nachweisli­ch Terroriste­n unter Flüchtling­e geschleust worden. Der IS hat sogar Späher, die systematis­ch auskundsch­aften, welche Routen sich am besten für ISPersonal eignen. Das ist militärisc­h geplant. Da das seit spätestens 2016 unter Fachleuten bekannt ist, gehe ich davon aus, dass der Grund für die Zurückhalt­ung der europäisch­en Polizeibeh­örde politische­r Natur ist. Im Klartext geht es vor allem um Deutschlan­d. Die deutsche Flüchtling­spolitik hat nachweisli­ch zu einer dramatisch­en Verschlech­terung der Sicherheit­slage geführt.

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GETTY IMAGES Beim Anschlag auf der Rambla in Barcelona am 17. August wurden 13 Menschen getötet.
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EPA Ein Feuerwehrm­ann sammelt Gasflasche­n in Alcanar, Spanien, ein.
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SCREENSHOT ARD Der Terrorismu­sexperte Guido Steinberg.

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