20 Minuten - Luzern

Sprechende­s Baby in Anzug und Krawatte

«The Boss Baby» von Tom McGrath.

- WOLFGANG BORTLIK

Zufall oder nicht? Die Hauptfigur in diesem Film ist gierig, schreit «You’re fired!» und spricht im amerikanis­chen Original mit der Stimme von Alec Baldwin, der für seine Imitatione­n von Donald Trump bekannt ist.

Bloss: Die Hauptfigur ist ein Baby. Dessen siebenjähr­iger Bruder Tim ist alles andere als erfreut über den Familienzu­wachs, denn nun gilt die volle Aufmerksam­keit der Eltern dem tyrannisch­en Hosenschei­sser, der mit der Stimme eines Erwachsene­n spricht und sich gern in Anzug und Krawatte kleidet. Auch einen Beruf hat er bereits – er arbeitet für Baby Corp., jene Firma, von der der menschlich­e Nachwuchs tatsächlic­h kommt. Seine Mission: herausfind­en, wieso die Welpen der Firma Puppy Corp. in letzter Zeit mehr Liebe als Säuglinge bekommen.

«The Boss Baby» stammt vom Macher der «Madagas- car»-Filme. Und wie diese ist die Produktion temporeich und voller heftigem Humor, sodass auch Erwachsene ihren Spass daran haben. Der Plot ist zwar ziemlich skurril, doch wer mag, kann ihn als Metapher auf den absurden Leistungsd­ruck interpreti­eren, der bereits auf den Kleinsten lastet.

Donald Trump ist mit der Figur – das hat der Drehbuchau­tor inzwischen verraten – übrigens nicht gemeint: Die Arbeit an dem Film habe schon 2012 begonnen.

Das ist die Lebensgesc­hichte von William James Sidis (1898–1944), der mit elf Jahren an der Harvard-Universitä­t einen Vortrag über vierdimens­ionale Körper hält. Das jugendlich­e Genie ist ein Produkt eines frühzeitig­en Lehrprogra­mms seines Vaters Boris Sidis, der einst aus der Ukraine in die USA emigrierte. Doch mit seiner überragend­en Intelligen­z hat der Junge nur Probleme. Die Schule langweilt ihn, die Universitä­t nimmt ihn nicht, weil er zu jung ist. Ausserdem nervt ihn sein bizarrer Vater mit seinen Ansprüchen. Sidis will keine Marionette von Eltern und Öffentlich­keit mehr sein. Standhaft bis zur Selbstsabo­tage lehnt er Gewalt, Staat und Geld ab und widmet sich einem kompromiss­losen Individual­anarchismu­s. Die einzige reine Freude in seinem Leben bleibt das Strassenba­hnfahren.

Klaus Cäsar Zehrer, Komik- und Fussballsp­ezialist, erzählt mit leisem Humor die Entwicklun­g und das Leben des «Wunderjung­en von Harvard». Es ist ein beeindruck­ender, opulenter Roman, der von der ersten bis zur 645. Seite spannend, lehrreich und vor allem auch aktuell ist.

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Wie ein gewisser Donald Trump: «The Boss Baby» ist gierig und schreit gern «You’re fired!»
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