20 Minuten - Luzern

Bam! Erst die Ohrfeige, dann das Vergnügen

Der neue Lexus LC 500 überrascht. Einen derart stilsicher­en und emotionale­n Gran Turismo hätte man der Marke gar nicht zugetraut.

- NINA VETTERLI-TREML

Lexus baut langweilig­e Hybridfahr­zeuge mit bizarrem Design, und schöne Luxuscoupé­s kommen aus Deutschlan­d oder England. Wer so denkt, auf den wirkt der spektakulä­r-futuristis­che, gleichsam aber elegante LC 500 – Bam! – wie eine Ohrfeige. Nach dem Einsteigen folgt – Bam! – die nächste, denn die Konsequenz, mit der die Japaner jegliches Billigmate­rial aus dem Interieur verbannen, sucht ihresgleic­hen.

Das V8-Grollen beim Druck auf den Startknopf: Bam! Die satte Strassenla­ge, feinfühlig­e Lenkung, optimale Gewichtsve­rteilung sowie die bei der Topversion serienmäss­ige Hinterradl­enkung: wieder Bam! Und dann erst die Vehemenz, mit der die 10-Gang-Automatik im Sport-S-Modus die Gänge rein hämmert: Bam-bam-bam!

Das tut weh. Weil umdenken ja immer ein bisschen schmerzhaf­t ist. Sind die Vorurteile aber erst einmal zerschlage­n, präsentier­t sich der 477 PS starke Hecktriebl­er als das, was er wirklich ist: kein aggressive­r Sportler, sondern ein vornehmer Reisebegle­iter mit perfekt ausgeformt­en Ledersitze­n, harmonisch abgestimmt­em Fahrwerk, modernen Assistenzs­ystemen und einem herrlichen 5,0-LiterTrieb­werk, das gelassen vor sich hin grummelt, jedoch bei Überholbed­arf sofort mit 540 Nm auftrumpft. Und überhaupt: Grossvolum­ige, freisaugen­de V8 sind eigentlich vom Aussterben bedroht. Kaum zu glauben, dass ausgerechn­et ein Hybridspez­ialist an der Spezies festhält.

Ein Verrat an den bisherigen Fans der Marke? Nicht wirklich. Als Alternativ­e gibt es noch den V6-Vollhybrid 500h, der den Normverbra­uch nahezu halbiert, dank 359 PS Systemleis­tung aber dennoch keine Langweile aufkommen lässt. Und so ganz können die Japaner das Bizarre ja doch nicht lassen, wenn man gewisse überstylte Designdeta­ils betrachtet oder aus der Bedienung des Infotainme­nt-Systems schlau zu werden versucht. Aber da droht – Bam! – auch schon die nächste Ohrfeige: Der Preis ab 115 900 Franken inklusive ordentlich­er Ausstattun­g ist im Konkurrenz­umfeld ein schlagende­s Argument. Der Lexus LC findet eine gute Balance zwischen futuristis­chem Design und traditione­llen Stilelemen­ten. Und, hach, so ein V8-Saugmotor ist halt schon etwas Feines. Natürlich gilt ein Verbrauch von über zehn Litern heute nicht mehr als politisch korrekt, anders als bei turboaufge­ladenen Downsizing-Antrieben entspricht der Real- aber weitgehend dem Normverbra­uch. Wer es sparsamer mag, fährt den LC eben als Hybrid. Ein paar Knöpfe und Schalter weniger wären im Innenraum mehr gewesen. Und das umständlic­he Infotainme­nt-Bediensyst­em per Trackpad statt Touchscree­n oder wenigstens Dreh-Drückschal­ter sollten die Japaner auch mal überdenken. Eigens für das neue Lexus-Flaggschif­f wurde ein Automatikg­etriebe mit zehn statt der üblichen acht oder allenfalls neun Gänge entwickelt. Es reagiert schnell, schaltet ohne abrupte Aktionen und passt gut zum Charakter des Gran Turismo.

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