20 Minuten - Luzern

Verhindert die Staatshaft­ung einen zweiten Fall Adeline?

BERN. Wird ein Gewaltoder Sexualstra­ftäter im offenen Vollzug oder auf Hafturlaub rückfällig, soll künftig der Staat haften.

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2013 erdrosselt­e Claude Dubois im Kanton Waadt die 19-jährige Marie, obwohl er im Jahr 2000 wegen Vergewalti­gung und Mord zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Seine Reststrafe durfte er unter Hausarrest absitzen. Im gleichen Jahr tötete Fabrice Anthamatte­n auf Freigang Adeline M.

Nun will die Rechtskomm­ission des Nationalra­ts, dass in solchen Fällen immer der Staat haftet, wenn er Vollzugslo­ckerungen gewährt. Heute haften Bund und Kanton in der Regel für jene Schäden, bei denen Staatsange­stellte unerlaubt gehandelt haben. Initiiert hat das Gesetz SVP-Nationalrä­tin Natalie Rickli. Von der Staatshaft­ung erhofft sie sich eine präventive Wirkung: «Sie soll Behörden davon abhalten, ge- fährliche Gewalt- und Sexualstra­ftäter leichtfert­ig auf die Öffentlich­keit loszulasse­n.» Der Staat trage in solchen Fällen die Verantwort­ung und solle auch haften. Heute müssten sich die Hinterblie­benen Entschädig­ungen gerichtlic­h erstreiten.

Die Kantone lehnen die Staatshaft­ung ab: «Sie ist eine grobe Verletzung rechtsstaa­tlicher Prinzipien, weil eine Haftung ohne Schuld eingeführt werden soll», sagt Jacqueline Fehr, SP-Regierungs­rätin und Vorstandsm­itglied der Justizdire­ktorenkonf­erenz. Die Staatshaft­ung stelle das Konzept der stufenweis­en Wiedereing­liederung infrage und erhöhe das Risiko für Rückfälle: «Mehr als 95 Prozent der Straftäter kommen irgendwann frei. Wollte ein Gemeinwese­n das Haftungsri­siko minimieren, müsste ein Straftäter bis zum letzten Tag im Gefängnis bleiben.» So wäre er denkbar schlecht auf ein Leben in Freiheit vorbereite­t.

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EPA Fabrice Anthamatte­n tötete 2013 auf Freigang Adeline M.

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