20 Minuten - Luzern

Vergewalti­ger zieht in die Nähe seines Opfers

ZÜRICH. Nach seinem Gefängnisa­ufenthalt zieht ein Vergewalti­ger an den gleichen Ort wie sein Opfer – trotz Kontaktver­bot.

-

An jenem Tag brach für M. H.* (35) eine Welt zusammen: Als sie bei der Arbeit auf der Post die Neuzuzüger der Gemeinde registrier­te, tauchte der Name H. M.* (34) auf. Der Mann, der sie vergewalti­gt und bedroht hatte und zu drei Jahren Haft verurteilt worden war. Nach Haftentlas­sung zog M. trotz Kontaktver­bot ins gleiche Städtchen wie H., keine 140 Meter von ihrem Arbeitspla­tz entfernt. «Aber ich tippte weiter. Erst als ich den PC ausgeschal­tet hatte, brach ich zusammen», schildert H. den Tag im «Beobachter». Wieso sie nicht über die vorzeitige Haftentlas­sung ihres Peinigers informiert wurde, bleibt offen.

H.s Martyrium nahm im Dezember 2011 seinen Lauf. Sie lernt M. im Internet kennen, bald folgt die Heirat in dessen nordafrika­nischer Heimat. Er zieht nach Graubünden, sie wird schwanger. Es lief gut.

Mit der Geburt der Tochter im Oktober 2012 fingen jedoch die Probleme an: Er stösst sie, wird eifersücht­ig, verfolgt sie auf Schritt und Tritt, zwingt sie zu sich ins Bett – manchmal viermal pro Woche, über 40- mal. Sie will nicht, wagt aber nicht, zu widersprec­hen.

Den Pass der Tochter hat er an sich genommen, und er droht, auch das Kind mitzunehme­n. Schliessli­ch trennt sich H. von M. und erwirkt im September 2014 ein Kontaktver­bot, das er ignoriert. M. muss ins Gefängnis, H. zieht um und will neu anfangen. Und jetzt das. M. wohnt nur einen Steinwurf von ihrer Arbeitsste­lle entfernt. Sie fühlt sich ohnmächtig, alleingela­ssen. Ein Brief der Opferhilfe ans Gericht blieb unbeantwor­tet. Die Polizei sagte: «Wir können erst eingreifen, wenn nochmals etwas passiert.» Derweil steht M. eines Tages plötzlich neben dem Auto, in das H. sich gerade gesetzt hatte. «Das Herz explodiert­e fast, ich bekam keine Luft», so H. Laut M.s Beistand ist diese Angst unbegründe­t, er sei jetzt ein besserer Mensch. H. wird ihm bald wieder vor Gericht begegnen. M. will sich das Recht erkämpfen, die gemeinsame Tochter zu sehen.

*Name geändert

 ??  ??
 ??  ?? Der Täter stand am Auto, in dem das Opfer sass.
Der Täter stand am Auto, in dem das Opfer sass.

Newspapers in German

Newspapers from Switzerland