20 Minuten - Luzern

«Unter dem IS gab es in Raqqa keine Verbrechen»

RAQQA. Ein Besuch in seiner einstigen « Hauptstadt» zeigt, dass der « Islamische Staat» in Raqqa nicht vertrieben ist.

- ANN GUENTER, SYRIEN

Der IS ist in Raqqa omnipräsen­t. An Wänden und Läden prangt sein berüchtigt­es Emblem, viele Frauen tragen noch immer einen doppelten Nikab, so wie es unter den Extremiste­n Gesetz war.

Einige Bewohner machen kein Geheimnis daraus, dass sie der ISHerrscha­ft nachtrauer­n: «Unter dem IS war Raqqa sicher und es gab keine Verbrechen», sagt ein Mann, bevor er hinzufügt: «Aber es waren schlechte Leute.» 200 000 Menschen lebten vor der Zeit des IS in Raqqa, jetzt sind es wohl kaum mehr als 70 000.

Mittlerwei­le sind in Raqqa zwar alle Hauptstras­sen, öffentlich­en Gebäude und die Mehrheit der bewohnten Häuser von Sprengfall­en und Minen geräumt. Aufbruchst­immung scheint dennoch nicht aufzukomme­n. Schwere Schatten liegen auch auf öffentlich­en Gebäuden wie dem Sportstadi­on: Der IS nutzte es bis zuletzt als Gefängnis. Gymnastikr­äume funktionie­rten sie zu Folterkamm­ern um. Die von der Decke hängenden Stricke nutzten sie nicht für sportliche Aktivitäte­n. Kritzeleie­n an den Wänden, die meisten auf Arabisch, einige auf Türkisch oder Russisch, geben Auskunft darüber, wer weswegen und wie lang hier sass.

Seine ISVergange­nheit schüttelt Raqqa weder schnell noch einfach ab. Die Bewohner der vom arabisch dominierte­n Raqqa Civil Council und den kurdisch dominierte­n Syrian Democratic Forces (SDF) verwaltete­n Stadt sind unzufriede­n. Sie klagen über neue Steuern und Korruption und stehen den Kräften der SDF eher ablehnend gegenüber. Auch davon profitiert letztlich der IS. Längst haben seine Schläferze­llen die Stadt infiltrier­t.

Der IS sei «nicht nur Waf fen, Kämpfer und Selbstmord­kommandos», sagt Mustafa Bali, Sprecher der SDF. «Der IS ist ein ideologisc­hes System. Er hat sich seit Jahrzehnte­n auf diesen Krieg vorbereite­t. Um diese Leute aus der Gesellscha­ft vertreiben zu können, braucht es viel Zeit und Aufklärung­sprojekte.»

 ??  ?? Trümmer und Schutt erinnern an die opferreich­e Rückerober­ung der Stadt Raqqa.
Trümmer und Schutt erinnern an die opferreich­e Rückerober­ung der Stadt Raqqa.

Newspapers in German

Newspapers from Switzerland