Cliff Diver begeistern Zuschauer am Urnersee
SISIKON. Die weltbesten Klippenspringer schaffen die schwierigsten Sprünge, scheinbar ohne zu zögern. Bis Anna Bader kommt.
Sie steht mit den Zehenspitzen an der Kante der Plattform. Sie streckt sich durch wie ein Brett, die Arme über dem Kopf. Sie sieht den Abgrund unter sich, 21 Meter tief. Sie zählt: eins, zwei, drei. Dann sollte sie springen. Sie wartet 16 Sekunden. Anna Bader nimmt die Arme wieder nach unten. Läuft zurück. Formt mit ihren Armen ein X: Sie springt nicht.
Die Deutsche ist seit vielen Jahren profimässige Klippenspringerin. Auch am Red Bull Cliff Diving am Vierwaldstättersee steht sie im Fokus. Sie hat sich längst daran gewöhnt. Vor ihrem zweiten Sprung am Samstag hat sie dennoch eine mentale Blockade. «Ich habe mich spontan entschieden, nicht zu springen. In meiner Konzentrationsphase habe ich mich einfach nicht zu 100 Prozent wohlgefühlt. Körperlich, aber auch mental konnte ich mir den Sprung vor dem inneren Auge nicht gut vorstellen», sagt die 34-Jährige. So etwas sei ihr im Wettkampf noch nie passiert.
Baders misslungener Versuch zeigt, unter welch enormer Belastung die Sportler ste- hen. Die Zuschauer bekommen im Normalfall nichts davon mit. Die über 8000 Fans geniessen die spektakulären Saltos, Schrauben und Hand- stände in ihren Gummibooten, Gummiflamingos oder Gummieinhörnern. Sie haben sich schon fast an den Wahnsinn gewöhnt. Bis Anna Bader kommt, menschlich wird, zurückläuft. Und genau deshalb in Sisikon die Mutigste aller Klippenspringerinnen ist.