20 Minuten - Luzern

Die Hand wächst nicht mehr nach

Cyrill Nänni passierte etwas, was man nicht einmal seinem ärgsten Feind wünscht: Sein rechter Unterarm wurde von einem Häcksler geschredde­rt. Doch wie er mit seinem Schicksal umgeht, ist grossartig.

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Ein grauer Novemberta­g, in der Nähe von Sirnach im Thurgau. Der angehende Landschaft­sgärtner Cyrill Nänni (18) ist zusammen mit dem Vorarbeite­r und einer Arbeitskol­legin auf Häckslerto­ur im Dorf. An der Dorfstrass­e wartet ein grosser Haufen Rosengestr­üpp darauf, dass er zu Hackschnit­zel verarbeite­t wird. Oh Mann, denkt sich Cyrill und macht sich an die Arbeit. Schnell soll es gehen, rein mit dem Zeugs. Gierig ziehen die Einzugswal­zen die Dornenrank­en zu den Messern, die alles zu Kleinholz machen. Cyrill stösst die Ware nach, beugt sich weit vor. Und dann passiert es: Seine Hand verfängt sich in der Walze und sein rechter Arm wird in den Häcksler eingezogen. Sein Vorgesetzt­er sieht das Unglück, zieht den Notstopp.

Adrenalin gegen den Schmerz

«Als der Arm wieder herauskam, sah ich, wie der Pullover schlaff daran herunterhi­ng. Da wusste ich: Das wars jetzt mit der rechten Hand», erinnert sich Cyrill. Und an das viele Blut, sein Geschrei, die Malerin von nebenan, die mit ihrem Gürtel den Oberarm abband. Tat es weh? «Nicht mal so fest. Das Adrenalin macht dich fast schmerzfre­i». Die Ambulanz war bald zur Stelle, und rund zwei Stunden nach dem Unfall wurde er im Universitä­tsspital Zürich operiert.

Als er aus der Narkose aufwachte, standen seine Eltern und sein Bruder am Bett. Bestürzung und die Gewissheit, dass das jetzt die neue Realität ist. Die Hand wächst nicht nach, das war klar. Aber gleichzeit­ig sagte sich Cyrill auch: «Hey, ich bin noch am Leben!»

Witze für das Gemüt

Nach zehn Tagen wurde er vom Spital in die Rehaklinik Bellikon verlegt. Die Klinik ist spezialisi­ert auf Unfallreha­bilitation. Dort traf Cyrill auf weitere Leidensgen­ossen, die ebenfalls schwere Schicksals­schläge erlebt hatten. Doch sie motivierte­n sich gegenseiti­g, machten Witze. «Was willst du Trübsal blasen. Das Leben muss weitergehe­n!», sagt Cyrill. Und genau diese Lebensener­gie ist beim inzwischen 21-jährigen angehenden Verkäufer jede Sekunde zu spüren. Den Gärtnerjob musste er zwar aufgeben. Die Prothese schränkte ihn zu sehr ein. Mit der Unterstütz­ung der Rehaklinik und der IV konnte er zuerst ein Praktikum und dann eine Lehre bei einem grossen Sportartik­el-Händler beginnen. «Das hat für mich gepasst. Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen und beim Verkauf stört meine Einarmigke­it überhaupt nicht.»

Im Gegenteil: Der Unfall hat bei ihm zusätzlich­e Energien ausgelöst. «Es ist schon eigenartig, aber meine Behinderun­g spornt mich zusätzlich an. Das Einzige was ich wirklich vermisse, ist das Gitarrensp­ielen.» Sagts und geht auf eineen wilden Ritt in den Pumptrac ckRun dkurs.

 ??  ?? Bild oben: In der schweren Anfangszei­t waren die Unterstütz­ung von Familie und Freunden sowie der Aufenthalt in der Rehaklinik Bellikon Cyrill Nännis grösstes Glück. Bild links: Sein Motto: Jetzt erst recht! Dank Prothese ist er auch mit dem Bike unterwegs.
Bild oben: In der schweren Anfangszei­t waren die Unterstütz­ung von Familie und Freunden sowie der Aufenthalt in der Rehaklinik Bellikon Cyrill Nännis grösstes Glück. Bild links: Sein Motto: Jetzt erst recht! Dank Prothese ist er auch mit dem Bike unterwegs.
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