Die Streber von Alt-J besorgen sich ein Bad-Boy-Kostüm
Die britischen Nerds jagen ihre Songs durch den Fleischwolf und haben plötzlich Swag.
Alt-J sind alles ausser sexy. Das nasale Falsett von Sänger Joe Newman klingt häufig nach Knabenchor, die orientalischen Samples lösen Assoziationen zur World-Music aus, und die sphärischen Flächen sprechen eher Radiohead-Nerds als Partytiger im Club an. Auf dem neuen Album «Reduxer», quasi eine Neuauflage des Vorgängers «Relaxer» (2017), borgen sich die Briten nun die Coolness von Rappern und Soundtüftlern aus allen musikalischen Himmelsrichtungen.
Der Begriff Remix-Album wird «Reduxer» nicht ganz gerecht: Die neuen Versionen basieren auf alten Aufnahmen, die aber auf den Kopf gestellt werden. Im Zentrum stehen die neuen Stimmen, die Alt-J wie ein völlig anderer Act klingen lassen. Pusha-T übernimmt den Lead in «In Cold Blood», der Franzose Lomepal gibt «3WW» einen souligen Twist und mit Kontra K ist auch ein deutscher Rapper mit an Bord. Jeder von ihnen hat mehr Attitüde im kleinen Finger als die gesamte Alt-J-Besetzung zusammen. Frontmann Newman streut nur vereinzelt seine ursprünglichen Zeilen ein, damit man die Songs überhaupt noch erkennt. Statt Klacker-Percus- sion hört man Trap-Beats statt nebliger Gitarren 808-Bässe, statt eines jaulenden Hundes Hip-Hop-Swag.
Mit «Reduxer» sprechen Alt-J eine völlig neue Zielgruppe an und fordern ihre Fan-Base heraus. Das Umstyling der Songs lässt die Streber fast schon aussehen wie Bad Boys, und das kann einer Band, die sich im Kunststudium kennen gelernt hat, grundsätzlich nie schaden.