20 Minuten - Luzern

«Ärzte dürfen Eltern nicht zu Abklärunge­n drängen»

- JULIA KÄSER

BERN. Eine Patientin verklagt ihren Arzt, weil sie ein krankes Kind gebar. Wie hoch ist der gesellscha­ftliche Druck?

Eine Patientin hat ein krankes Kind zur Welt gebracht, das sie abgetriebe­n hätte, wenn sie von dessen Erbkrankhe­it gewusst hätte. Der Gynäkologe habe auf vorgeburtl­iche Abklärunge­n verzichtet. Nun fordere sie eine Million Franken, weil der «Schaden» entstanden sei, berichtet die «Berner Zei tung». Der Gynäkologe widerspric­ht: Sie habe ihm gegenüber deutlich gemacht, dass sie das Kind so oder so zur Welt bringen wolle.

Die Frau gehört zu einer grossen Mehrheit. Verschiede­ne Studien belegen, dass rund 90% der Schweizer Frauen eine Abtreibung vornehmen, wenn vorgeburtl­iche

Tests auf eine mögliche Behinderun­g hindeuten. Letztes Jahr wurden in der Schweiz rund 10000 Schwangers­chaftsabbr­üche durchgefüh­rt. Die meisten erfolgten aus psychosozi­alen Gründen. Abtreibung­en aufgrund von Krankheite­n oder Störungen, die beim ungeborene­n Kind festgestel­lt werden, werden kontrovers diskutiert.

Samuel Steiner, Verantwort­li cher Sozialpoli­tik bei der Behinderte­norganisat­ion Insieme Schweiz, kritisiert die Zunahme von Tests in der Schwangers­chaft. «Es kommt vor, dass Gynäkologe­n bei den Eltern gar nicht nachfragen, ob sie diese wirklich durchführe­n wollen», so Steiner. Das sei nicht richtig, die Autonomie solle vollständi­g bei den Eltern liegen. «Ärzte dürften Eltern nicht zu Abklärunge­n drängen, sondern sie nur ausführlic­h über ihre Möglichkei­ten informiere­n.» So sehe es auch das Gesetz vor.

«Es kommt vor, dass Gynäkologe­n bei den Eltern gar nicht nachfragen, ob sie die Tests wirklich durchführe­n wollen.» Samuel Steiner Insieme Schweiz.

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