20 Minuten - Luzern

Gaddafi-Geisel Göldi rechnet in Buch mit dem Bundesrat ab

GENF. Die Libyen- Krise hielt die Schweiz zwei Jahre in Atem. Nun legt Ex- Geisel Max Göldi in einem Tagebuch seine Sicht der Dinge dar.

- PASCAL MICHEL

Zwei Jahre hielt der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi den Schweizer ABB-Ingenieur Max Göldi (63) und den tunesisch-schweizeri­schen Geschäftsm­ann Rachid Hamdani als Geiseln in Tripolis fest. Gaddafi rächte sich im Juli 2008 dafür, dass die Genfer Polizei zuvor seinen Sohn Hannibal in Genf verhaftet hatte (siehe Chronologi­e).

In seinem 608 Seiten starken Buch «Gaddafis Rache – Aus dem Tagebuch einer Geisel» (Wörterseh-Verlag) berichtet Göldi, der heute in Asien lebt, von seinem Martyrium. Als schlimmste­s Erlebnis be- zeichnet er die Hinrichtun­gen, die er in der Einzelhaft mitbekomme­n hat. Im Buch rechnet er aber auch mit dem Bundesrat, den Genfer Behörden sowie dem Aussendepa­rtement (EDA) ab. Die Festnahme Hannibals durch die Genfer Polizei sei unverhältn­ismässig gewesen. Den damaligen Schweizer Konsul in Tripolis bezeichnet er als «Schönwette­rdiplomate­n». Und bis heute versteht er nicht, warum Bundespräs­ident Pascal Couchepin 2008 seine Ferien nicht abbrach, um Gaddafi zu besuchen.

Lob findet er für den Bundespräs­identen Hans-Rudolf Merz, der sich im August 2009 bei Gaddafi für die Verhaftung in Genf entschuldi­gte. Das sorgte damals für Häme, und Gaddafi liess die Geiseln trotzdem nicht frei. Göldi: «Es brauchte diese Geste.» Die Planspiele der Schweizer Armee zur Befreiung der Geiseln begrüsst er. Eine Idee war, die Geiseln mit einem Jetski aus den libyschen Hoheitsgew­ässern und dann nach Europa zu bringen. «Die Neutralitä­t schliesst nicht aus, dass die Schweiz Geiselopfe­r im Ausland unterstütz­t», sagt Göldi im Gespräch. Dass sein Peiniger Muammar al-Gaddafi im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 getötet wurde, brachte Göldi keine Genugtuung: «Ein solches Ende wünscht man niemandem.»

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EPA 1. März 2010: Hannibal Gaddafi trifft Max Göldi in Tripolis. Video: Sehen Sie auf 20min.ch das Interview mit Max Göldi.

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