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In Mosul hat es Platz für ein Tattoo-Studio

MOSUL. In Mosul ist Normalität eingekehrt, seit die Stadt im Norden des Irak zurückerob­ert wurde. Heute findet man hier sogar ein Tattoo- Studio.

- ANN GUENTER, IRAK

BELIEBT Mosul ist gezeichnet von den Strassenkä­mpfen, die hier drei Jahre lang getobt haben. In den Quartieren im Westen der Stadt stehen von vielen Häusern gerade noch die Grundmauer­n. Besonders die «Schlacht um Mosul», die von Oktober 2016 bis Juni 2017 dauerte, hat ihre Spuren hinterlass­en. Schliessli­ch gelang es den Koalitions­streitkräf­ten, dem Islamische­n Staat die Stadt im Norden Iraks zu entreissen.

Seither haben sich die Dagebliebe­nen und die Rückkehrer wieder ihren Alltag aufgebaut. Dazu gehören auch Versöhnung­sgesten wie das Friedensko­nzert, das vor jenem Gebäude – mittlerwei­le auch eine Ruine – abgehalten wird, von dem der IS Dutzende Homosexuel­le in die Tiefe gestossen hatte.

Ost-Mosul dag gegen ist deutlich weniger gezeichnet. Auch hier ga ab es Häuserkämp­fe, aber a kaum Luftangrif­fe e.

Ein kleines Zeichen der gesellscha­ftlichen Öffnung findet man hier r mit einem Tattoo- S Studio: Remas Tatt oo im Quartier al-Mutha ana ist seit einem halben Jahr offen. Es ist das erste und einzi ige Studio in Mosul. Dass es überhaupt existiert, ist bem erkenswert: Tätowierun­gen sind im

Islam verboten, sie sind haram.

Die beiden Besitzer, Sohaid (27) und Mahmoud (25), sind Cousins und haben je ihren Aufgabenbe­reich: Mahmoud hat sich auf das Weglasern von Tattoos spezialisi­ert, Sohaid zeichnet und sticht. Tattoos waren vor einigen Jahren immer beliebter geworden, gerade unter jungen Arabern. Die Herrschaft des IS setzte diesem Trend ein abruptes Ende. «Es gab Fälle, wo die Sittenpoli­zei eine alte Tätowierun­g entdeckte. Dann wurde Batteriesä­ure auf diese Stelle gegossen, die die Zeichnung wegätzte», erzählt Mahmoud.

Nach gut eineinhalb Jahren unter dem IS wurde es für Mahmoud, der heimlich für seine engsten Freunde kleine Tattoos zu Hause stach, und Sohaid zu gefährlich. Die Cousins flohen über Syrien in die Türkei und lebten in Ankara,

bis der IS im vergangene­n Jahr aus ihrer Heimatstad­t vertrieben wurde. «Das Material ist aus der Türkei. Den Laser für die Entfernung haben wir aus Deutschlan­d importiert», sagt Sohaid. «Die arabischen Männer lassen sich gerne ‹Mama› stechen oder den Namen ihrer Freundin», erzählt er. Unter den jungen Muslimen sei derzeit ein interessan­ter Trend zu beobachten – sie lassen sich gerne Kreuze stechen: «Als Zeichen der Rebellion. Als Botschaft, dass die Religion die Menschen nicht trennen soll.»

Am Vormittag ist der Laden nur für Frauen geöffnet, am Nachmittag und am Abend für Männer, die den Grossteil der Kunden ausmachen. «Es sind vor allem Sicherheit­skräfte und Mitglieder der Armee, die regelmässi­g kommen.»

Ein gutes Jahr nach ihrer Befreiung zeugt allein noch die zerstörte Altstadt von der jahrelange­n Terrorherr­schaft der Extremiste­n, und der geschäftig­e Alltag, in dem sogar ein Tattoo-Studio einen Platz gefunden hat, hat Mosul wieder.

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ALI AL-BAROODI Ein Friedensko­nzert im zerbombten Westen Mosuls erinnert an die Opfer des IS.
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A. GUENTER Der Studiobesi­tzer zeigt seine Werke gern.

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