«Das Volk ist müde» – die SVP ist isoliert
BERN. Die Zeit der SVP sei abgelaufen, heisst es nach der erneuten Niederlage der Partei. Stimmt das?
Die Selbstbestimmungsinitiative hat der SVP eine krachende Niederlage beschert. Linke sehen in der erneuten Abstimmungsschlappe einen Beweis dafür, dass die Zeit der SVP abge- laufen sei. SP-Fraktionschef Roger Nordmann: «Das Schweizer Volk ist müde.» Die SVP-Spitze kontert und plant bereits die nächste grosse Schlacht.
Zwei Drittel der Stimmbürger haben Nein gesagt zur Selbstbestimmungsinitiative (SBI). Mit ihr hatte die SVP ihre Kernthemen Souveränität und Europa beackert. Nach der Durchsetzungsinitiative oder der Bundesratsvolkswahl ist wieder eine SVP-Vorlage durchgefallen. Die Gegner triumphierten. Nationalrätin Sibel Arslan (Grüne) schrieb etwa: «Wenn der heutige Tag kein Indiz für die abgelaufene Zeit der SVP ist, dann weiss ich auch nicht.»
Der Politologe Thomas Milic sagt, die SVP müsse sich fragen, wie viel sie den Stimmbürgern zumuten wolle: «Wiederholte Abstimmungen empfinden viele als Zwängerei.» Wenn sich Initiativen zu einem Thema häuften, bewerteten viele die Vorlagen nur noch nach dem Absender. Die Partei müsse aufpassen, kein VerliererImage zu bekommen. Die SVP habe auch früher nicht immer gewonnen. Aber: «Ihre Themen haben stets elektrisiert. Das ist so nicht mehr der Fall.»
Politologe Georg Lutz stellt fest: «Die Empörungsbewirtschaftung der SVP funktioniert nicht mehr.» Das Heraufstilisieren des Fremden als das Böse schlechthin habe sich totgelaufen. Die SVP befinde sich in einer Abwärtsspirale.
SVP-Präsident Albert Rösti verneint, das Gespür für das Volk verloren zu haben (siehe Interview). Der Politikwissenschaftler Oscar Mazzoleni spricht zwar von einer «grösseren Niederlage». Doch: «Bisher hat die Tatsache, dass die SVP als Minderheit aus einer Abstimmung hervorgegangen ist, nicht verhindert, dass sie auf anderen Ebenen gewinnt.» Das Thema Europa werde weiterhin die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. «Wir werden sehen, ob die anderen Parteien in der Lage sind, andere Themen in den Mittelpunkt zu stellen.»