20 Minuten - Luzern

Schweizer IS-Braut: «Holt uns bitte raus!»

Wo wird der Schweizer IS-Braut Selina der Prozess gemacht? ROJAVA. Eine 29-jährige Schweizeri­n sitzt seit 14 Monaten in syrischer Haft. Gegenüber 20 Minuten fordert sie die Schweiz auf, sie für einen Prozess zurückzuho­len.

- ANN GUENTER, SYRIEN *Name von der Redaktion geändert

Ihre zweijährig­e Tochter kennt nur das Leben in Haft. Seit 14 Monaten wird eine 29-jährige Lausanneri­n in Syrien festgehalt­en. Sie soll sich 2015 mit ihrem Mann dem IS angeschlos­sen haben. Im Gespräch mit 20 Minuten fordert die Frau einen Prozess in der Heimat. «Wenn ich nicht die Rechte einer Schweizeri­n bekomme, dann entzieht mir die Staatsange­hörigkeit!»

ROJAVA. Selina reiste zusammen mit ihrem Mann Aziz B. 2015 von Lausanne nach Syrien. Seit ihrer Verhaftung im Frühling 2018 haben sich die zwei nicht mehr gesehen. «Ich bereue es sehr, mit meinem Mann hierhergek­ommen zu sein», sagt die Lausanneri­n im Gespräch mit 20 Minuten. Sie habe, sagt Selina, soeben im Fernsehen gesehen, dass der Bundesrat über die Rückkehr von IS-Kämpfern debattiere – und dass Bundesräti­n Karin Keller-Sutter sich gegen eine Überführun­g ausspreche. Die Justizmini­sterin fordert, dass ihnen in Syrien der Prozess gemacht wird. «Das verstehe ich nicht», sagt Selina. «Wieso sollen wir hier vor Gericht? Wahrschein­lich ist es einfach zu teuer, uns zurückzuho­len.» GUX Hohe Drahtzäune umfassen das Camp Roj auf rund 400 mal 300 Metern. Zwischen den Reihen von weissen Zelten verwandeln sich die staubigen Gassen bei Regen in Schlammflü­sse. Von einem Wachturm überblicke­n bewaffnete Kämpferinn­en der kurdischen Frauenvert­eidigungse­inheiten das Areal.

Als Selina* (29) hier in den Interview-Raum geführt wird, will sie erst nicht mit 20 Minuten sprechen. «Was soll das denn noch?», fragt sie mit Frustratio­n in der Stimme. Seit 14 Monaten sitzt die Lausanneri­n mit bosnischen Wurzeln im Norden Syriens im Camp Roj, einem von den Kurden geführten Internieru­ngslager für mehrheitli­ch ausländisc­he ISFrauen und ihre Kinder.

Auch Selinas Tochter ist hier, die zweijährig­e Anja*, ein blondes Mädchen mit blauen Augen, süss und aufgeweckt. Im Gegensatz zu ihrer Mutter weiss sie nicht, dass es ein Le- ben ausserhalb des Camps gibt – und von der Schweiz hat die Kleine keine Ahnung.

«Was habe ich denn in der Schweiz verbrochen?», fragt Selina, und ihre Stimme wird lauter: «Ich habe meine Steuern bezahlt, ich habe die Gesetze respektier­t, ich habe niemanden terrorisie­rt.» Im Gegenteil: «Wer wie ich das Leben in Syrien kennen gelernt hat, denkt sicher nicht an Anschläge in der Schweiz. Dann weiss man das Leben in der Schweiz zu schätzen.»

Die Diskussion, die die Schweiz derzeit über IS-Rückkehrer führt, findet sie scheinheil­ig: «Ich bin Schweizeri­n, oder nicht? Also holt uns zurück! Die Schweiz ist doch ein Rechtsstaa­t, in dem die Unschuldsv­ermutung gelten sollte. Wenn ich nicht wie eine Schweizeri­n mit all ihren Rechten behandelt werde, dann entzieht mir die Staatsange­hörigkeit!»

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GUX Eine IS-Anhängerin aus Lausanne ist seit 14 Monaten mit ihrer Tochter im Camp Roj in Syrien inhaftiert – sie will endlich raus.
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Selina und ihre zweijährig­e Tochter Anja im Camp Roj in Nordsyrien.

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